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Eltmann Die Rückkehr der vergessenen Glocke auf die Wallburg

Der 21. Mai ist ein großer Tag für Eltmann, denn an diesem Tag kehrt ein Stück Heimat in die kleine Stadt am Main zurück. Und zwar in Form einer mehr als 500 Jahre alten Glocke, die jahrzehntelang als verschollen galt: der Wallburgglocke.

Von: Wolfram Hanke

Stand: 17.05.2023 | Archiv

Im Rahmen eines kleinen Festakts wird die Wallburgglocke in der Stadthalle von Eltmann wieder angeläutet. Die große Ehre hat die älteste Bürgerin im Saal, dazu spricht Rainer Reitz vom Heimatverein ein kleines Gedicht.

"Der erste Schlag, der ist für den ältesten Gast im Saal gedacht. Die Glocke ist ja schon über 575 Jahre alt. Der erste Schlag soll zeigen, dass das Alter nicht unbedingt eine Last ist, sondern auch noch was zu sagen hat. Der zweite Schlag gebührt dem Besitzer der Glocke, das ist die Stadt Eltmann, vertreten durch den Bürgermeister Michael Ziegler. Der dritte Schlag gebührt dem jüngsten Gast im Saal. Das ist die Zukunft. Das könnten die Kinder sein, die die Geschichte weitergeben müssen, damit sie nicht vergessen wird."

Rainer Reitz, Heimatverein Eltmann

Die Wallburgglocke – lange Zeit ein Phantom

Der Festakt in der Stadthalle von Eltmann.

Mit dem Festakt feiert der Heimatverein Eltmann eine Geschichte, die im September 2017 ihren Anfang genommen hat. Damals, am Tag des Denkmals, trafen sich die Mitglieder vom Heimatverein auf der Wallburg zu einem kleinen Umtrunk. Und aus dieser Bierlaune heraus ist die Frage aufgekommen, was denn eigentlich aus der alten Wallburgglocke geworden ist. Die Glocke ist ein Phantom, die man kennt, ohne sie je gesehen zu haben. Es gibt sogar einen Roman über sie: "Das Irrglöcklein der Wallburg" von den beiden Eltmanner Bürgern Hans Seibold und Theodor Wanke aus dem Jahr 1979. Nach besagtem Umtrunk ist das Interesse für die alte Geschichte neu geweckt.

"Wir haben überall nachgeforscht, im Internet und so weiter. Bis wir auf ein altes Buch aus dem Jahr 1920 gestoßen sind. Den sogenannten deutschen Glockenatlas. Und im Glockenatlas steht diese Glocke drin von 1448. Eigentlich das älteste greifbare Geschichtsstück vom Landkreis Haßberge. Also eine profane Kirchenglocke von inzwischen mehr als 575 Jahren."

Rainer Reitz, Heimatverein Eltmann

Eine Signalglocke für Feuer, Sturm, Krieg, Tod und Geburt

Gegossen wird die Wallburgglocke damals von Magister Albertus Eulensmit aus Kulmbach, der eine Gießerei in Forchheim betreibt. In Auftrag gegeben vom damaligen Burgherren der Wallburg als Signalglocke für Feuer, Sturm, Krieg, Tod oder Geburt. Diese Burg ist ein Amtssitz vom Bistum Würzburg und dient damals der Steuererhebung für Eltmann und Umgebung.

"Man muss es sich so vorstellen: wie zur Zeit die Landratsämter sind, so war das damalige Landratsamt hier in Eltmann die Wallburg. Das war immer außerhalb, man hat sich präsentiert, weil zwei Ortschaften weiter schon das Fürstbistum Bamberg beginnt. Deshalb hat man gesagt, an der Grenze baut man sich eine vernünftige Burg, dass man auch weithin sichtbar ist. Da hast Du Deine Steuern abzugeben, das ist die Amtsburg, da kommst Du vorbei."

Rainer Reitz, Heimatverein Eltmann

Die jahrhundertelange Odyssee der Wallburgglocke

Die Wallburgglocke

1777 wird die Wallburg als Amtsburg aufgelöst und das alte Gemäuer den Bürgern von Eltmann als Steinbruch zur Verfügung gestellt. Deshalb steht von damals nur noch der Glockenturm und die Wallburgglocke selbst startet damals ihre jahrhundertelange Odyssee. Sie kommt zunächst in die Stadtpfarrkirche, passt aber klanglich überhaupt nicht zum restlichen Geläut und wird eingemottet. Nach weiteren Stationen landet sie als Totenglocke auf dem Friedhof und irgendwann in der Kriegergedächtniskappelle. Immer wieder gerät sie in Vergessenheit, auch weil niemand in Eltmann Aufzeichnungen besitzt.

"Das ist vielleicht auch bedingt durch den Zweiten Weltkrieg, weil Eltmann das Kugelfischer-Werk hat. Deshalb hat man alle wichtigen Dokumente und Urkunden nach Würzburg ausgelagert, damit es nicht beschädigt wird. Man ging nämlich davon aus, dass Eltmann schwer bombardiert wird. Leider war das Gegenteil der Fall: Würzburg ist schwer bombardiert worden, Eltmann ist nahezu verschont geblieben. Jetzt ist natürlich alles, was mit Wallburg zu tun hat, vernichtet worden."

Rainer Reitz, Heimatverein Eltmann

Heimatforscher entdecken die Wallburgglocke

Lange ist unklar, ob die Glocke überhaupt noch existiert. Und wenn ja, wo. Die Heimatforscher wühlen sich durch ein paar wenige verbliebene Dorfchroniken und machen sich auf die Suche. Irgendwann klettern sie in den engen Turm der Kriegergedächtniskapelle und werden fündig. Die fast 600 Jahre alte Wallburgglocke existiert tatsächlich und funktioniert sogar noch. Zur Freude von Bürgermeister Michael Ziegler, dem heutigen Eigentümer.

"So etwas erlebt man nur einmal im Leben eines Bürgermeisters. Da sind wir schon wirklich stolz darauf, dass wir unsere Wallburgglocke wieder dort haben, wo sie hingehört. Ich habe gar nicht gewusst, dass sie überhaupt noch existiert. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass wir eine Wallburgglocke hatten. Deswegen war es für mich total überraschend und wirklich eine klasse Geschichte."

Michael Ziegler, Bürgermeister von Eltmann

Viele fleißige Helfer restaurieren die Glocke

Damit die 85 Kilogramm schwere Wallburgglocke wieder so schön und hell erklingt, war einiges an Restaurierungsmaßnahmen nötig. Arbeiten, für die der Heimatverein viele ehrenamtliche Kräfte mit Sachverstand und handwerklichem Geschick verpflichten kann. Eine Reparatur in einer professionellen Glockenwerkstatt würde den kleinen Verein 8.000 Euro kosten. Das kann und will sich keiner leisten.

"Wir haben viele Handwerker in unserem näheren Umkreis, die echt stolz darauf waren, diese Glocke herrichten zu dürfen. Die haben das wirklich für einen Apfel und ein Ei gemacht. Vom Schlosser, vom Schweißer, derjenige, der die glasperlengestrahlt hat, der das Joch gebaut hat, der den Klöppel wieder hergerichtet hat. Und dabei hat die Glocke praktisch überhaupt kein Geld verschlungen."

Rainer Reitz, Heimatverein Eltmann

Einer der fleißigen Helfer ist Günter Gleusner, ein Maschinenbauer im Ruhestand, der viele Jahre lang im Ausland auf Montage unterwegs war und jetzt die Zeit in seiner Heimat Eltmann genießt. Deshalb ist er für die Idee, die alte Wallburgglocke zu restaurieren, gleich Feuer und Flamme.

"Wir haben die saubergemacht. Nach dem Reinigen habe ich dann die Glocke geschweißt, weil sie Risse hatte. Und oben musste ich zwei Bügel der Krone komplett neu dranschweißen. Das war etwas schwieriger, muss ich sagen, aber es hat funktioniert. Da ich in Eltmann wohne, dachte ich mir, ich kann auch für die Stadt was tun. Deswegen habe ich das auch gemacht. Und weil es mir auch Spaß macht."

Günter Gleusner

"Es ist immer schlimm, wenn Geschichte irgendwann stillsteht. Wir haben nicht mehr viel Geschichte hier in Eltmann. Deshalb ist es immer wieder schön, wenn man doch etwas in Aussicht hat und die Geschichte weitergeschrieben werden kann. Die Glocke ist herausgekommen, die Geschichte ist zu Ende. Aber jetzt haben wir gewusst: Mensch, die Glocke ist da, die Geschichte geht weiter. Wo war sie denn in der Zwischenzeit? Und so ist sie jetzt eine der letzten greifbaren Stücke der Wallburg. Das wollen wir erhalten, für jetzt und auch für die Zukunft."

Rainer Reitz, Heimatverein Eltmann

Die Wallburg soll eine touristische Attraktion werden

Nach dem feierlichen Anläuten in der Stadthalle kommt die Glocke nun zurück in die Wallburg. Die will der Heimatverein in den nächsten Jahren zu einer touristischen Attraktion ausbauen. Mit Führungen, einem alten Brunnen, Imbiss und natürlich auch mit der historischen Glocke. Mit einem feierlichen Festzug wird sie an ihre alte Wirkungsstätte zurückgebracht.

"Wir nehmen einen kleinen Handleiterwagen. Die Leute, die den Wallburgbrunnen gesäubert haben, die ziehen auf jeden Fall die Glocke auf dem Wagen hoch. Das Joch selbst trägt der Heimatverein. Die schwere Last wird auf den Schultern getragen. Und den Klöppel, das hat sich herauskristallisiert, den tragen die ganzen Kindergartenkinder der Stadt Eltmann hoch zur Wallburg, denn das sind die Krachmacher und die sollen auch die Geschichte in der Zukunft weiterschreiben."

Rainer Reitz, Heimatverein Eltmann

Am Glockenturm wird die Glocke dann mit einem Flaschenzug und viel Muskelkraft 28 Meter in die Höhe gezogen und im Glockenturm abgestellt. Bis sie dort dann auch wieder läuten kann, werden aber vermutlich noch einige Jahre vergehen, denn der Glockenturm ist noch besetzt.

"Wir können sie noch nicht läuten, weil ganz oben im Wallburgturm noch eine Art Technikzimmer ist. Das ist noch von der Telekom mit Funk und Digitalfunk für Feuerwehr und Polizei belegt. Der Mietvertrag läuft erst 2027 aus. Dann können wir den Wallburgturm wieder so zurückbauen, wie er früher eigentlich war. Und dann kann man auch die Glocke in einen richtigen Glockenstuhl einbauen und läuten."

Rainer Reitz, Heimatverein Eltmann

Diese Wartezeit ist zwar nicht optimal, passt aber irgendwie zu der verrückten Geschichte der Wallburgglocke. Ein lange vergessenes Stück Zeitgeschichte, das der Heimatverein von Eltmann wieder ausgegraben und aufpoliert hat.


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