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Von Konstantinopel über Kiew nach Moskau

Die Russisch-Orthodoxe Kirche Von Konstantinopel über Kiew nach Moskau

Stand: 05.04.2017

Hochzeit des Großfürsten Wladimir I. Swjatoslawitsch mit Anna, der Schwester des byzantinischen Kaisers Basileios II. (Gemälde um 1920/30 von Michail N. Jakowlew) | Bild: picture-alliance/dpa

Im 9. Jahrhundert dringen skandinavische Krieger von Schweden aus in Osteuropa ein. Mit der "Kiewer Rus" errichten sie ein frühmittelalterliches Großreich, das vom Finnischen Meerbusen bis zur Halbinsel Krim reicht. Etwa um das Jahr 980 übernimmt Wladimir I. als Großfürst von Kiew die Alleinherrschaft über die Rus. Um seine Macht zu festigen und seinen Rang aufzuwerten, sucht er die Nähe zum Byzantinischen Reich. Die Stunde ist günstig. Der oströmische Kaiser Basileios II. kann Verbündete im Kampf gegen die Bulgaren gut gebrauchen. Wladimir schickt 6000 Elitesoldaten nach Konstantinopel und erbittet als Gegenleistung die Hand der Schwester des Kaisers. Basileios II. willigt ein, bedingt sich aber aus, dass Wladimir und sein Volk die Taufe annehmen.

Byzanz exportiert Glauben und Kultur

So geschieht es. Anlässlich seiner Vermählung mit Anna von Byzanz nimmt Wladimir 987 den christlichen Glauben an, 988 wird das orthodoxe Christentum durch eine Massentaufe im Dnjepr zur alleinigen Religion des Kiewer Großreichs. Mit der Christianisierung übernehmen die Rus zugleich auch Kultur, Riten und Verwaltungsstrukturen des Byzantinischen Reichs. Obwohl die Kiewer wie auch später die Moskauer Fürsten danach trachten, ihren Einfluss auszweiten, bleibt die russische Kirche eine "geistige Kolonie" unter der Oberhoheit des Patriarchats von Konstantinopel. 450 Jahre lang stehen ausschließlich von Byzanz bestellte Griechen als Metropoliten an der Spitze des Kirchenapparats.

Ein "drittes Rom" an der Moskwa

Im Lauf des 15. Jahrhunderts zerbricht die Macht des byzantinischen Kaiserreichs unter dem Ansturm der Osmanen. Aufgrund der schwindenden Bedeutung Konstantinopels können es die russischen Bischöfe 1448 erstmals wagen, eigenmächtig einen der ihren als Metropoliten von Kiew und ganz Russland einzusetzen. Mit diesem Akt ist Trennung von der byzantinischen Mutterkirche de facto vollzogen.

1453 fällt Byzanz. 1478 nimmt Iwan III. als erster russischer Großfürst den Zarentitel an und beansprucht für sich sowie seine Nachkommen fortan die Würde eines "Bewahrers des byzantinischen Throns". Die Zeiten der Fremdbestimmung und Abhängigkeit sind endgültig vorbei. Im berühmt gewordenen Ausspruch, in Moskau das dritte und nunmehr unvergängliche Rom errichtet zu haben, macht die russische Kirche ihren Anspruch auf unbeschränkte Souveränität geltend. Schließlich vollzieht eine Moskauer Kirchensynode 1589 mit der Errichtung des Patriarchats von Moskau den letzten Schritt zur Selbstbestimmung der russisch- orthodoxen Kirche. 1590 erkennt eine ökumenische Synode in Konstantinopel das neue Patriarchat als eigenständige (autokephale) Kirche mit völliger Rechts-, Verwaltungs- und Lehrautonomie an.

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