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... als Krankheitsüberträger

Der Floh ... ... als Krankheitsüberträger

Stand: 29.06.2016

Eine Elektronenmikroskop-Aufnahme zeigt den Kopf der Floh-Art "Hectopsylla narium" | Bild: picture-alliance/dpa

Bakterientransfer und Seuchenpfade

In Europa mäht der Schwarze Tod allein zwischen 1347 und 1352 etwa 25 Millionen Menschen nieder, bis ins 18. Jahrhundert flackern immer wieder regionale Pestepidemien auf. Die Menschen sind dieser Geißel hilflos ausgesetzt und suchen nach Erklärungen. Manche glauben an die Auswirkung schädlicher Dünste, andere machen spezielle Sternkonstellationen für den Ausbruch der Seuche verantwortlich, die meisten vermuten eine Strafe Gottes und wähnen das Weltende nahe. Erst 1901 beschuldigt der Insektenkundler Nathaniel Charles Rothschild den Rattenfloh als Seuchenüberträger. Die anfangs belachte Theorie bestätigt sich rasch. 1914 können Arthur Bacot und Charles Martin den Übertragungsmechanismus erstmals präzise beschreiben. Der Insektenspezialist und der Biologe erkennen, dass sich die mit dem Blut aufgesaugten Pestbakterien im Vormagen des Rattenflohs vermehren und verklumpen. Will der Floh erneut Blut schlucken, muss er den Klumpen zuvor hochwürgen. Beim Zubeißen überträgt er die hoch ansteckende Fracht unweigerlich in die Blutbahn des neuen Wirts.

Fataler Wirtswechsel

Die Ratte ist nicht der einzige Wirt des Flohs.

Das wäre an sich noch nicht allzu problematisch. Aber der Rattenfloh ist wie alle Flöhe nicht auf einen einzigen Wirt fixiert. Fällt der Stammgastgeber aus, beispielweise, weil die infizierte Wirtsratte an der Pest gestorben ist, wechselt der Rattenfloh einfach zur nächstbesten Quelle. Das können andere Nager, aber genauso gut Menschen sein. Hauptsache lebendig, Hauptsache warmes Blut, alles andere ist zweitrangig. Erst durch diesen Wirtswechsel mutiert der an sich harmlose Floh zu einem potenziellen Massenmörder, der in vielen Teilen der Welt noch heute Infektionskrankheiten wie Fleckfieber und sogar die Pest übertragen kann.

Vertreibung und Reservat

Vor solchen Horrorszenarien müssen wir in Mitteleuropa keine Angst mehr haben. Zum einen ist die Pest durch Antibiotika gut heilbar, zum andern ist das Pestbakterium in unseren Breiten ausgestorben. Ratten-, Hunde- und Katzenflöhe haben also kaum eine Chance, mit dem Erreger in Kontakt zu kommen. Und um Pulex irritans, den Menschenfloh, ist es gerade auch nicht zum Besten bestellt. Er ist recht selten geworden. Staubsauger, fugenlose PVC-Böden, geflieste Räume und aggressive Reinigungsmittel haben ihm seine natürlichen Aufenthalts- und Rückzugsorte geraubt. Er findet schlicht nicht mehr genügend Ritzen, Zwischenräume, Dielenspalten, um seine Brut ungestört aufzuziehen. So geht eine lange Hassfreundschaft leise zu Ende. Wer sie punktuell auffrischen möchte, kann sich ja Haustiere halten oder einen nostalgischen Abstecher machen: in den Flohzirkus.

Ein Floh, festgebunden an eine Drahtschlaufe, dreht einen kleinen Schirm.

Wenn die winzigen Artisten dort Dreirad und Karussell fahren, wenn sie Kutschen ziehen, auf dem Hochseil tanzen, Tore schießen oder um die Wette laufen, darf es gerne kribbeln. Aus Spaß an der Freud, mit Anstand und in allen Ehren.