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Kommentar "Wöhrl hat den falschen Kurs eingeschlagen"

Was ist falsch gelaufen, wenn einem traditionellen Unternehmen wie Wöhrl die Insolvenz droht? Es liegt nicht allein an der Konkurrenz durch den Online-Handel, erklärt Diana Deutschle. Ein radioWelt-Kommentar.

Von: Diana Deutschle

Stand: 07.09.2016

Schild des Kaufhauses Wöhrl | Bild: picture-alliance/dpa

Ein traditionelles Modehaus, das plötzlich finanziell in eine Schieflage gerät, und zwar so sehr, dass schnell ein Schutzschirmverfahren her muss. Im Klartext heißt das: Drei Monate Zeit, um einen Sanierungsplan auszuarbeiten, ohne dass Gläubiger Forderungen stellen können.

Das ist der Fall Wöhrl. Quasi über Nacht hatten die Verantwortlichen bekannt gemacht, wie es um den 1933 gegründeten Modekonzern aus Nürnberg steht. Nämlich schlecht. 2000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, es soll zu Entlassungen kommen, bis zu zehn der Wöhrl-Filialen in Süd- und Ostdeutschland, also fast ein Drittel, könnten geschlossen werden. Verkündet hat das der Neue an der Spitze des Konzerns: Der frühere Aufsichtsratschef Andreas Mach, ein Banker, bekannt für Aderlässe und Verkäufe im großen Stil, ist jetzt Vorstandsvorsitzender der Wöhrl-Gruppe. Inmitten der Sommerpause zogen die Verantwortlichen plötzlich die Reißleine.

Ist wirklich der Online-Handel schuld?

Schuld an der drohenden Insolvenz des Textilunternehmens soll angeblich der alte, böse Online-Handel sein. Das veränderte Kaufverhalten. Das schwierige Marktumfeld. Käufer hätten keine Markentreue mehr. Was zumindest die Konzern-Verantwortlichen behaupten. Wieder mal. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Seit Jahren schon leidet der Konzern unter deutlichen Umsatzeinbußen. Außerdem soll der Verlust bei über einer Million liegen – mehr als vergangenes Jahr. Da passt es nicht so ganz ins Bild, dass Wöhrl immer noch keinen Online-Shop hat und das Geschäft im Netz komplett sausen lässt. Da hilft es auch nicht, ein paar Euro in die Hand zu nehmen, die in einen kleinen Internet-Katalog und ein Projekt zu investieren, das Shoppern im Netz ein paar dürftige Vorschläge mit fertigen Outfits unterbreitet, die sie dann aber nicht gleich kaufen können. Das ist zu zaghaft, zu dünn, um der Online-Konkurrenz und gut funktionierenden Handelsriesen mit Komplettangebot wie Zalando zu trotzen. Spät kommt da die Erkenntnis des neuen Vorstands, die Wöhrl-Gruppe zu einem Multichannel-Anbieter ausbauen zu wollen. Im Internet wird nun mal nicht erst seit gestern gekauft.

Mit der Expansion gewaltig verhoben?

Daher kann das nicht der alleinige Grund für die Misere sein – allenfalls einer unter mehreren. Der Konzern hat mit Schulden von 45 Millionen Euro zu kämpfen. Erst vor drei Jahren hatte man den teuren und auch schon mal insolventen Konkurrenten Sinn-Leffers, eine Modekette aus Nordrhein-Westfalen, geschluckt. Das Ziel war, ein deutschlandweites Wöhrl-Sinn-Leffers-Unternehmen zu formieren. Expansion, darum ging es Wöhrl. Auch an der Billigkette Adler Modemärkte hält die Familie gut fünf Prozent, die wiederum zur insolventen Steilmann-Gruppe gehört. Das klingt dann eher so, als hätte sich da jemand gewaltig verhoben. Klingt nach Management-Fehlern.

Ein neues Sortiment soll her

Und noch was ist wichtig: das Sortiment und die Präsentation der Mode. Bei Wöhrl einkaufen zu gehen, gilt eher als old-fashioned. Für die junge Klientel ist das Nürnberger Modehaus jedenfalls kaum eine Anlaufstelle. Auch darauf wollen die Manager an der Konzernspitze jetzt reagieren: Ein neues Sortiment soll her, näher am Kunden, mit mehr exklusiveren Eigenmarken, an jedem Standort anders, ausgerichtet auf die Bedürfnisse der Käufer vor Ort, statt überall ein Einheitsangebot zu präsentieren. Das Einkaufen soll bei Wöhrl soll wieder zum Erlebnis werden. doch das alles kostet Geld, und das hat das Modehaus nun mal gerade nicht. Für seine Sanierung und Umstrukturierung sucht die Wöhrl Gruppe jetzt nach Investoren. Da kann man dem Unternehmen nur viel Glück wünschen.


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