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Kommentar Nigel Farage geht - und hinterlässt ein Schlamassel

Nigel Farage tritt als UKIP-Chef zurück. Ohne ihn hätte es keinen Brexit gegeben. Aber der Verantwortung dafür stellt er sich nicht mehr, kommentiert Jens-Peter Marquardt im radioWelt-Kommentar.

Von: Jens-Peter Marquardt, ARD-Studio London

Stand: 05.07.2016

Nigel Farage | Bild: picture-alliance/dpa

Bye, Bye Nigel! Wir werden ihn nicht vermissen. Er war seit Jahren das hässliche Gesicht Englands. Er hat an die niederen Instinkte der Menschen appelliert, den Rassismus angestachelt und auch die "kleinen Leute" dazu gebracht, für den Austritt aus der EU zu stimmen. Genau die Leute, die jetzt darunter leiden werden - unter der Unsicherheit über die Zukunft, dem Einbruch der Wirtschaft, dem Verlust von Jobs.

Das EU-Parlament verlässt Farage nicht, die Diäten bekommt er weiter

Farage kann das egal sein. Er kassiert ja noch ein paar Jahre die Diäten aus dem EU-Parlament, danach eine üppige Altersversorgung und hat sich in seinem früheren Leben an der Londoner Börse die Taschen vollgemacht. Farage holt sich jetzt sein Leben wieder zurück, wie er bei seinem Rücktritt verkündete, während er zuvor das Leben vieler und deren Zukunft kaputtgemacht hat.

Ohne Farage wäre Großbritannien nie so weit ins Abseits geraten. Sein Populismus, seine kumpelhaften Auftritte in den Pubs, seine Lügen und seine Hetze gegen Brüssel und die EU haben den Austritt in Großbritannien überhaupt erst mehrheitsfähig gemacht. Vor Farage interessierte sich in diesem Land niemand außer ein paar verknöcherten Konservativen für die EU. Man hat sie nicht geliebt, aber man hat sie hingenommen und von den Vorteilen des Binnenmarktes und der EU-Fördergelder profitiert.

Doch dann kam Farage, machte seine UKIP bei der Europawahl vor zwei Jahren zur stärksten Partei in Großbritannien und lehrte die etablierten Parteien das Fürchten. Erst erschreckte er die Konservativen, an der Spitze David Cameron, der sich nicht anders zu helfen wusste, als gegen seine eigene Überzeugung ein EU-Referendum zu veranstalten. Und am Ende auch die Labour-Party, deren Wähler beim Referendum scharenweise ins Lager der EU-Gegner wechselten, obwohl sie eigentlich nur Cameron einen Denkzettel erteilen wollten und einer völlig desolaten Labour-Party die Gefolgschaft versagten.

Den Brexit erreicht - und wer räumt jetzt auf?

Farage war der Mastermind hinter der Austrittsbewegung. Den Schlamassel, den er angerichtet hat, müssen jetzt andere beseitigen. Und die stehen vor einer schweren Aufgabe, bei der sie kaum glänzen können. Sie müssen irgendwie die Hoffnungen erfüllen, die die Menschen mit diesem Austritt verbinden: mehr Souveränität und gleichzeitig mehr Wohlstand. Das ist die Quadratur des Kreises: irgendwie auch in Zukunft zum Binnenmarkt gehören, aber mit den Regeln dieses Marktes - einschließlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer - nichts zu tun haben.

Das wird nicht funktionieren, jedenfalls dann nicht, wenn die EU-Partner standhaft bleiben. Und wenn Großbritannien irgendwann so richtig in der Krise steckt, sich die Versprechen der Austrittsbefürworter in Luft aufgelöst haben, der nächste konservative Vorsitzende und Premierminister gescheitert ist - dann könnten Farage und der ebenfalls in Deckung gegangene Boris Johnson vielleicht wieder aus der Kulisse auf die Bühne treten. Keine schöne Aussicht. Weder für Großbritannien noch für Europa.


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