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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Spargelsaison als fünfte Jahreszeit?

In Nesselwang wurde an diesem Wochenende der Sommer und die Wandersaison eingeläutet: vom Herbst unter Umgehung des schneearmen Winters direkt in den Sommer! Wie gut, dass es eine verlässliche fünfte Jahreszeit gibt. Eine Glosse von Georg Bayerle.

Von: Georg Bayerle

Stand: 25.03.2024

Manche behaupten ja, die fünfte Jahreszeit in Bayern sei die Starkbierzeit, aber das ist natürlich ein Irrtum, ungefähr so groß wie dunkles Bier süffig ist. Die fünfte Jahreszeit in Bayern kündigt sich an, wenn dralle Sprossen in reinem Weiß aus der Erde dringen. Heerscharen saisonaler Helfer rücken dann mit speziellen Grabgeräten an und stechen die saftigen Stängel ab, damit sie über jeden erdenklichen Vertriebsweg in die die hungrigen Mäuler der Spargelesserinnen und -esser finden.

Das Ganze folgt einem derartig felsenfesten Ritual, wie es bei keiner der anderen vier Jahreszeiten der Fall ist: der Winter kommt wann er will, das Frühjahr hat uns erst vor ein paar Tagen richtig angefixt, jetzt macht es schon wieder Pause, der Sommer beginnt neuerdings um Ostern und reicht bis Oktober – nur auf den Spargel ist Verlass.

Vor der verbreiteten Ausbringung von Folien und anderen Heizmitteln galt die Regel, dass er  um Georgi im April startet, aber das ist lange her. Nachdem Griechen und Römer der Deutschen liebstes Edelgemüse dank des mediterranen Vorsprungs bereits im März über den Brenner karrten, wird hierzulande halt beheizt. Und so überschlagen sich seit diesem Wochenende die Meldungen: erster Spargel in Rheinhessen und auf dem Spargelhof Strampe in Neetze, Landkreis Lüneburg, sticht Max Strampe den ersten Spargel der Saison 2024. Auch Brandenburg meldet den ersten Stich.

Nichts wird so heiß gegessen, wie der Starkbiersud gekocht wird

Bei keiner anderen Sache ist sich die Nation so einig, wie in der Anbetung des leichenblassen Gemüses, das seinem natürlichen Drang zur Sonne widersprechend geköpft wird, wenn es das Licht der Welt erblickt. Ein paar hoffnungslos weltfremde Ökos weisen noch darauf hin, dass es den ersten unbeheizten Spargel in der Region etwa ab Mitte April zu kaufen gäbe, aber auch das gehört zum Ritual. Wer könnte denn stillhalten, wenn aus jedem Kanal die Dringlichkeit schreit!

Ähnlich wie Buchungsportale, wo grundsätzlich nur noch ein Zimmer übrig ist, wird schon mit dem Start die Angst vor dem Zuspätkommen geschürt. Einen Sonderpreis in dieser Disziplin hat Nesselwang verdient: der Allgäuer Ort ist zwar nicht für den Spargel bekannt, aber dort wurde aus Schneemangel am Wochenende offiziell der Sommerbetrieb und die Wandersaison eingeläutet: vom Herbst unter Umgehung des Winters direkt in den Sommer!

Aber nichts wird so heiß gegessen, wie der Starkbiersud gekocht wird, das können Sie sich gesagt sein lassen. Der Spargelpreis wird auch dieses Jahr wieder von 25 Euro das Kilo auf unter 10 purzeln; am besten schmecken wird er im Mai und dauern wird die Spargelzeit bis Johanni, der Sommersonnenwende – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Schön, dass es eine verlässliche fünfte Jahreszeit gibt!


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