Bayern 2 - radioTexte


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Lesung am Feiertag Leonardo da Vinci, der Schriftsteller

Leonardo, das Genie der Malerei, der Architektur, der Astronomie ist uns allen geläufig. Doch kennen Sie den schon? Den Fabel-haften Leonardo, den Fabulierer? Franz Pätzold liest aus den Fabeln dieses bis heute faszinierenden Meisters aller Künste, der auf den ersten Blick fast naiv von der lebensprallen Natur erzählt, von A wie Ameise bis Z wie Zeder.

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 27.04.2019 | Archiv

Es wäre wohl leichter, die Frage zu beantworten, was er nicht konnte. Der Mann aus Vinci (nahe Florenz) war Maler, Bildhauer, Architekt, Anatom, Mechaniker, Ingenieur und Naturphilosoph, beschäftigte sich mit Botanik, Geometrie, Mathematik oder Geologie, konstruierte das erste U-Boot auf dem Papier, zeichnete als erster einen Embryo im Leib der Mutter, erkannte die Oberflächenspannung von Wasser - und man könnte diese Aufzählung noch um viele Erstaunlichkeiten dieses einen menschlichen Wesen verlängern. Kein Wunder also, dass der "Uomo Universale“ sich auch als Dichter betätigte. In seinen Mailänder Jahren (also bis 1499) entstanden nicht nur Aphorismen, Sagen und Prophezeiungen sondern auch einige Fabeln.

Leonardo, der Fabulierer

"Dichtung hat mit Moralphilosophie zu tun, Malerei mit Naturphilosophie."

(Leonardo da Vinci)

Franz Pätzold liest Leonardos Fabeln.

Dass den 1452 geborenen unehelichen Sohn einer Magd und eines Notars die Natur, alles Lebendige, faszinierte und zu genauesten Studien und Skizzen inspirierte, spiegelt sich auch in seinen literarischen Experimenten wider: Da sprechen Bäume, Spinnen oder anderes Getier mit uns auf scheinbar naive Art, konzise und karg, und doch setzt sich der Lauf der Dinge in Bewegung, kann es um Leben und Tod, um Revolution oder einfach um die Praxis der Tugenden gehen. Denn durch die sprichwörtliche Blume erzählen Leonardos knappe Geschichten durchaus auch davon, dass er nicht unbedingt ein großer Fan seiner Mitmenschen ist. An anderer Stelle fallen die Kommentar zu seiner Spezies dann auch direkter aus.

"Zahlreich sind jene, die sich als einfache Kanäle für die Nahrung, Erzeuger von Dung, Füller von Latrinen bezeichnen könnten, denn sie kennen keine andere Beschäftigung in dieser Welt."

(Leonardo da Vinci)

Leonardo, der Skeptiker

Die letzten Jahre seines prallen Lebens verbrachte Leonardo im Schloss Clos Lucé in Amboise an der Loire - stets beschäftigt natürlich: mal war er als Palastplaner aktiv, mal arbeitete er als Projektingenieur an einem großen Kanal. In seinen parallel fortgesetzten Wasserstudien wird deutlich, wie skeptisch er die Zukunft der Menschheit auf dem Planeten Erde einschätzte. Der am 2. Mai 1519 - vor 500 Jahren - verstorbene Universalgelehrte schrieb beispielsweise sehr hellsichtig:

Schiff auf dem ausgetrockneten Aralsee

"Die Luft wird dünner und ohne Feuchtigkeit sein, die Flüsse werden ohne Wasserzufuhr bleiben, das Erdreich nichts mehr wachsen lassen. Die Tiere werden verhungern. Auch den Menschen wird nichts übrig bleiben, als zu sterben. Die einst fruchtbare Erde wird wüst und leer."

(Leonardo da Vinci)

"Der Esel auf dem Eis“

Miniaturen von Leonardo da Vinci

Lesung mit Franz Pätzold am 1. Mai 2019 in den radioTexten am Dienstag auf Bayern2

Das gleichnamige Buch, übersetzt von Rudolf Hagelstange und mit Zeichnungen des Renaissance-Allround-Genies ausgestattet, ist im Unionsverlag erschienen.

Moderation und Redaktion: Antonio Pellegrino

Podcast verfügbar


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