Bayern 2 - radioTexte


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Ingeborg Lapsin liest Irmgard Keun: Ferdinand, der Mann mit dem freundlichen Herzen

„Ich habe noch nie eine Geschichte geschrieben, aber Heinrich hat mich darum gebeten und ich kann nicht gut „nein“ sagen, wenn man mich um etwas bittet.“ Roman über den Versuch, in den Trümmer ein neues Leben zu beginnen. Lesung mit Ingeborg Lapsin.

Stand: 23.11.2023 | Archiv

Zerstörtes Köln | Bild: picture alliance

"Mein Zimmer bei Frau Stabhorn – Witwe Emmy Stabhorn, geborene Baske – ist kein richtiges Zimmer, sondern ein schlauchartig in die Länge gezogener Sarg, der die Wohnküche der Stabhorns mit dem Wohnzimmer verbindet. Es ist ein Durchgangszimmer ohne Türen."

(Irmgard Keun)

Irmgard Keun – geboren 1905 in Berlin, gestorben 1982 in Köln – gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Erzählerinnen des 20. Jahrhunderts. Gleich mit ihrem Debüt – mit dem Roman „Gilgi – eine von uns“, 1931 erschienen – eroberte sie sich ein großes, begeistertes Publikum. Das ist einerseits der Geschichte zu verdanken – der Geschichte einer selbstbewussten jungen Frau in der Weimarer Republik. Ebenso aber auch der Art, in der Irmgard Keun erzählte, unkonventionell, frech, voller Verve, voller Tempo.

Wie für andere Schriftstellerinnen und Schriftsteller der Weimarer Republik war das Jahr 1933 – die Machtübernahme der Nationalsozialisten – auch für Irmgard Keun mit einer tiefen, existentiellen Zäsur verbunden. Sie erhielt Publikationsverbot in Deutschland und ging 1936 ins Exil. Im Amsterdamer Querido-Verlag – dieser bedeutenden Institution für die Exilliteratur – veröffentlichte sie weitere Romane. Nach der deutschen Besetzung der Niederlande ging Irmgard Keun 1940 – mit illegalen Papieren – zurück in die Heimat. 1951 erschien ihr Roman „Ferdinand, der Mann mit dem freundlichen Herzen“ – ohne jede nennenswerte Resonanz. In der jungen Bundesrepublik geriet Irmgard Keun immer mehr in Vergessenheit und lebte in prekären Umständen in Köln.

Erst in den späten 70er Jahren wurde ihr Werk – und mit ihm Irmgard Keun – wiederentdeckt. 1981, kurz vor ihrem Tod, erhielt die Jahrzehnte vergessene Schriftstellerin den Marieluise-Fleißer-Preis der Stadt Ingolstadt. Es war die einzige literarische Auszeichnung, die sie – eine so wichtige und gewichtige Erzählerin aus dem 20. Jahrhundert – erhielt. Es ist ein Glücksfall, dass ihr literarisches Werk wieder einen Platz im kollektiven Bewusstsein gefunden hat.

In vier Folgen widmen sich die radioTexte dem Erzählwerk von Irmgard Keun. Der vierte und letzte Teil der Reihe stellt ihren Roman „Ferdinand, der Mann mit dem freundlichen Herzen“ vor, zu hören in einer Lesung mit Ingeborg Lapsin aus dem Jahr 1987. Ferdinand, aus Krieg und Gefangenschaft ins zerstörte Köln zurückgekehrt, versucht, ein neues Leben aufzubauen. Der Roman ist erhältlich in einer Taschenbuchausgabe im Ullstein-Verlag. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages können wir diese radioTexte auch im Bayern 2 Podcast „Lesungen“ anbieten.

Redaktion: Niels Beintker


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