Bayern 2 - radioTexte


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"Alphabet der Welt" Claudio Magris über die Bücher seines Lebens

Er gilt heute als einer der berühmtesten Germanisten weltweit: der italienische Schriftsteller Claudio Magris. Nicht nur der deutschsprachige Raum, auch Europa ist eines seiner Herzensthemen geworden. Und trotz aller Reisen durch Zeiten und Regionen ist der vielfach preisgekrönte Publizist fest verwurzelt in seiner Heimatstadt Triest. Die radioTexte feiern Claudio Magris’ 80. Geburtstag mit Lesungen aus zwei wichtigen Büchern seines großen Werks: "Das Alphabet der Welt" und "Donau - Biografie eines Flusses“.

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 03.04.2019 | Archiv

Auf einen Espresso mit dem Triestiner Schriftsteller und Germanisten Claudio Magris (1999) | Bild: epa Bildfunk / dpa

Seit mindestens fünf Jahrzehnten widmet der emeritierte Professor für Deutsche Sprache und Literatur sein Leben der Welt der Wörter, vor kurzem ist wieder ein Buch von ihm erschienen im Münchner Hanser Verlag: „Schnappschüsse“. Man darf annehmen, dass nicht wenige Zeilen dieser literarischen Momentaufnahmen in seinem Stammkaffeehaus in Triest, dem Caffè San Marco, entstanden sind. Er sei, so sagt Claudio Magris höchstselbst über sich, einer der letzten „Kaffeehausliteraten“. 

Sein erstes Buch schrieb der 1939 geborene Triestiner mit zwölf Jahren: ein Traktat über 320 Hunderassen, das – die Nachwelt wird es vielleicht noch bedauern – verlorenging. Doch seit diesem Erstling hat Claudio Magris zahlreiche Essays, Romane, Theaterstücke, Reisebilder und literatur- und kulturgeschichtliche Studien verfasst, die ihm besonders in Europa große Beachtung und Auszeichnungen einbrachten.

Blick auf die Donau und Budapest

Da wäre zum Beispiel "Danubio", zu Deutsch: "Donau. Biographie eines Flusses" (1986/88), ein essayistisch-biografischer Reisebericht über den „einzig wahrhaft europäischen Fluss“, der ein internationaler Bestseller wurde. Magris’ Reisereflexionen eröffnen ein mitteleuropäisches Literaturpanorama, das ihm am Herzen liegt: Begrenzende Nationalismen sind ihm ein Gräuel, sein Augenmerk richtet sich auf das Aufspüren entschwundener Gemeinsamkeiten und literarischer Traditionen des Alten Kontinents - auch eine Art Fortsetzung seiner Dissertation über den habsburgischen Mythos in der österreichischen Literatur. Im Jahr 2009 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet, da er sich „wie kaum ein anderer mit dem Problem des Zusammenlebens und Zusammenwirkens verschiedener Kulturen beschäftigt“ habe.

Mitteleuropa und Triest

Blick auf den Canal Grande in Triest bei letztem Tageslicht, im Hintergrund die Kirche Sant'Antonio Nuovo

Trotz seiner vielen Reisen durch Europa bleibt Triest seine Basis - er sei einer der letzten „Kaffeehausliteraten“, so Magris in einem Interview. Zwei Bücher widmete der "kosmopolitischster Provinzler" Italiens (Franco Marcoaldi) dieser umkämpften Stadt am Meer: "Triest. Eine literarische Hauptstadt in Mitteleuropa" (1987, zusammen mit Angelo Ara) und "Die Stadt aus Papier. Triest und seine Literatur" (1985). Triest als frühere Grenzstadt zum Eisernen Vorhang, als Ort, an dem sich lateinische, slawische und deutsche Kultur mischen, verkörpert für den Literaturwissenschaftler die Idee von Mitteleuropa. 1997 erhielt er für sein Buch "Die Welt en gros und en détail" (dt. 1999), in dem er ebenfalls Geschichten aus der Triestiner Umgebung erzählt, den wichtigsten Literaturpreis Italiens, den Premio Strega. Vor allem über Schicksale im Schatten, über verlorene und ausgelöschte Existenzen“, darüber schreibe er in seinem Stamm-Café San Marco.

"Schreiben, das ist wie ein Schiffchen aus Papier, eine Arche Noah gegen die Welle der Zeit."

(Claudio Magris)

Von Flüssen und Büchern - mit Claudio Magris

Das Buch "Donau - Biografie eines Flusses" von Claudio Magris ist längst ein Standardwerk geworden, erschienen auf Deutsch 1995 (dtv). | Bild: BR / dtv

Zu seinem 80. Geburtstag am 10. April senden die radioTexte am 9. April 2019 kurz nach 21.00 Uhr auf Bayern2 Lesungen aus zwei seiner bekanntesten Publikationen: Thomas Loibl liest aus „Das Alphabet der Welt – Von Büchern und Menschen“. Darin stellt uns Claudio Magris die Bücher und Autoren vor, die ihn prägten und die er nie vergessen wird. Und wir folgen dem Lauf der Donau zwischen Ulm und Wien: aus „Donau - Biografie eines Flusses“ liest Wolfgang Pregler.

Das "Alphabet der Welt" ist 2011 bei Hanser erschienen, aus dem Italienischen von Ragni Maria Gschwend übersetzt. „Donau - Biografie eines Flusses“, übersetzt von Heinz-Georg Held, ist als Taschenbuch bei dtv erschienen. 

Podcast 7 Tage lang verfügbar


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