Bayern 2 - Gedanken zum Tag


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Melitta Müller-Hansen Gedanken zur Passionszeit

Im Sommer vergangenen Jahres habe ich im Radio den Auszug einer Rede vom Altbundeskanzler Helmut Schmidt gehört.

Stand: 05.03.2024

Gedanken zur Passionszeit | Bild: BR

05 März

Dienstag, 05. März 2024

Im Sommer vergangenen Jahres habe ich im Radio den Auszug einer Rede vom Altbundeskanzler Helmut Schmidt gehört. "Es scheint mir eine Tragödie zu sein, dass auf allen Seiten - die Rabbiner, die Priester, die Pastoren, die Bischöfe, die Mullahs, die Ajatollahs - dass sie allesamt uns theologischen Laien jede Kenntnis der anderen Religion vorenthalten haben. Sie haben uns im Gegenteil gelehrt, über die anderen Religionen ablehnend und abfällig zu denken. (7. WELTETHOS-REDE AM 8. MAI 2007. HELMUT SCHMIDT, ALTBUNDESKANZLER, "ZUM ETHOS DES POLITIKERS"; https://www.weltethos.org/reden/) Das traf mich mitten ins Herz. Was haben wir etwa vom Judentum gelernt? Ein Zerrbild zumeist. Die heuchlerischen Pharisäer der Jesus-Geschichten. Der verräterische Judas. Juden - angeblich die Mörder unseres Heilands. Jesus wurde herausgelöst aus seiner Tradition und wurde zur Inkarnation der göttlichen Liebe, die es vorher so im Judentum angeblich nicht gegeben habe. Schlichtweg falsch! Das Doppelgebot der Liebe - du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst - steht schon im dritten Buch Mose (3. Mose 19, 17f). So hat sich ein schlimmer Bodensatz der Überlegenheit gemischt mit Verachtung da angesammelt in unserer christlichen Kultur. Immer noch begegnen wir dem Antisemitismus in unseren Städten und sind wieder geschockt. Aber er war ja nie weg. Antisemitismus ist kein importiertes Problem, sondern auch tief verwurzelt in unserer Kultur - auch wenn er derzeit gerne pauschal auf "den" Islam abgewälzt wird. Er hat auch mit der christlichen Lesart des Alten Testaments zu tun. Allerhöchste Zeit, das zu erkennen und zu ändern.

Melitta Müller-Hansen / unveröffentlichter Text


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