Bayern 2

     

Bayerisches Feuilleton Kochen für den Märchenkönig

Köche bei der Arbeit (1893) | Bild: picture-alliance/dpa/Mary Evans Picture Library

Sonntag, 06.03.2022
20:05 bis 21:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Theodor Hierneis
Kochen für den Märchenkönig
Von Eva Demmelhuber

Wiederholung vom Samstag, 8.05 Uhr
Diese Sendung hören Sie auch in der BR Radio App und ist als Podcast verfügbar.

"Hechtenkraut" war die Lieblingsspeise seiner Majestät, erzählt Theodor Hierneis in seinen Erinnerungen und liefert gleich noch das Rezept, nach dem er das Gericht einst als Küchenjunge am Hof des bayerischen Königs Ludwig II. zubereitet hatte.

Mehr als einmal hatte der spätere Koch und Delikatessenhändler während seiner ersten Berufsjahre Gelegenheit, den exzentrischen Bayernkönig in dessen Traumschlössern Linderhof und Neuschwanstein zu beobachten. Einen König, der nicht nur unermüdlich reiste und mit Vorliebe erst um Mitternacht das Mittagessen einzunehmen pflegte, sondern zudem das Personal angewiesen hatte, sich ihm stets nur tief gebeugt zu nähern und ihm keinesfalls ins Gesicht zu schauen. Sollte in dieser Hinsicht womöglich ein Missgeschick geschehen, überreichte der Übeltäter seinem Monarchen am besten gleich tief zerknirscht das passende Entschuldigungsschreiben, denn Ludwig II. beantwortete Verstöße gegen seine Anweisungen gerne mit drakonischen Strafen (die allerdings realiter nie ausgeführt wurden).

Die Erinnerungen des einstigen Kücheneleven sind ein einzigartiges Zeugnis einer Zeit, die heute oft ins Märchenhafte verklärt wird. Theodor Hierneis jedoch bleibt Realist - wohl auch vor dem Hintergrund seines hürdenreichen Lebens. Nach den Jahren am Münchner Hof kochte er für den deutschen Kaiser in Berlin. Wieder zurück in München eröffnete er dann im Jahr 1901 zusammen mit seiner Frau ein Wein- und Delikatessen-Geschäft mit Köstlichkeiten aus der ganzen Welt. Hierneis bot nicht nur "erlesene Waren zu fairen Preisen", er beriet die Kundschaft auch bei der Speisen- und Weinfolge und lieferte bei Bedarf fertige Menüs nach Hause.

Zu seinen Kunden gehörten König Ludwig III. ebenso wie Kronprinz Rupprecht von Bayern und die großherzoglichen Familien von Luxemburg und Baden. Den heiß ersehnten Titel "Königlich Bayerischer Hoflieferant" allerdings erhielt der Mann, der so viel vom guten Essen verstand, zu seiner Enttäuschung niemals.

Für das Bayerische Feuilleton begibt sich Eva Demmelhuber auf die Spuren des 1953 verstorbenen Hofkochs.

BR 2022

Hörkino zum Frühstück statt Frühstücksfernsehen

Das Bayerische Feuilleton erzählt keine Geschichten, die schon 100 Mal erzählt wurden. Alle Spielarten von Geschichte hinter den Geschichten sind möglich. Wir nutzen die Chance für Spott, Scherz, Satire und Ironie. Uns interessieren Themen, in denen sich reale Ortschaften mit Literatur und Kunst verbinden. Wir schätzen Originale in der schönen neuen Medienwelt der "Unauffälligen". Wir bieten radiophone Geschichten mit Gedankenstoff und Spielraum für Gefühle. Als journalistisches Genre hat das Bayerische Feuilleton eine anspruchsvolle Tradition.