Bayern 2

Bayerisches Feuilleton Zum 30. Todestag des Autors Thomas Bernhard

Thomas Bernhard bei den Proben zur Uraufführung von "Die Berühmten". Akademietheater, Wien. (1976) | Bild: picture-alliance/dpa/IMAGNO/Barbara Pflaum

Sonntag, 10.02.2019
20:05 bis 21:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Die Thomasbernhardorteaufsuchkrankheit
Wie sehr ein Autor seine Leser infizieren kann
Von Bernhard Setzwein

Wiederholung vom Samstag, 8.05 Uhr
Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

Zwar heißt es in Thomas Bernhards Opus magnum „Auslöschung“ unmissverständlich, „hüten Sie sich, die Orte der Schriftsteller aufzusuchen, Sie verstehen sie nachher überhaupt nicht“, nichtsdestotrotz gibt es Leser dieses süchtig machenden österreichischen Schriftstellers, die genau dies tun müssen, weil sie nämlich unheilbar infiziert sind mit einer seltsamen Krankheit: der Thomasbernhardorteaufsuchkrankheit!

Gerade auch in Bayern gibt es durchaus Objekte für diese seltsame Begierde. Dazu gehören ganz sicher die sechs Jahre, die er in Traunstein verbrachte, eine Zeit, die der Autor in dem autobiographischen Buch „Ein Kind“ Jahrzehnte später noch einmal auf beklemmende Art und Weise evozierte. Darin ist die Rede vom erfolglos schriftstellernden Großvater Johannes Freumbichler, der im nahen Ettendorf lebte, vom Eisenbahnviadukt, bei den Traunsteinern als „Selbstmörderbrücke“ bekannt, sowie vom Wohnhaus am Taubenmarkt, aus dessen Fenstern die Mutter - zur Schande des bettnässenden Sohnes - die vollgepinkelten Bettücher hängte. Typische Thomasbernhardorte also, zu denen es einen kundigen Führer gibt: den Traunsteiner Realschullehrer Willi Schwenkmeier. Er ist genauso ein Thomasbernhardverfallener wie die Mitglieder des Kreises „Passauer Thomas Bernhard Freunde“. Sie muten ihrem Publikum sogenannte „Volltextlesungen“ zu, zum Beispiel die ganze „Auslöschung“ - 700 Seiten, vorgetragen nonstop an drei Tagen. Ihr Motto - natürlich ein Thomas-Bernhard-Zitat: „Wir dürfen nicht nachlassen in unserer Intensität.“

Bernhard Setzwein besuchte all diese erstaunlichen Literatur-Liebhaber und spürt am Ende seiner Reise selbst schon erste Anzeichen einer Thomasbernhardorteaufsuchkrankheit.

Hörkino zum Frühstück statt Frühstücksfernsehen

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