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Bayern genießen Papier - Bayern genießen im Oktober

Papier ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Ob Klopapier, Zeitung oder hochwertiges Buch - wenige Erfindungen haben die Kulturgeschichte der Menschen so geprägt, wie die der Papierherstellung.

Von: Christine Gaupp

Stand: 30.09.2022 | Archiv

Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "Papier"

Oberbayern: Kostbares Papier. Aus der Papiermühle in Gmund am Tegernsee. Von Andreas Pehl
Niederbayern: Dauerpapier. Papier als Kulturträger. Von Sarah Khosh-Amoz
Oberpfalz: Heiliges Papier. Ein Andachtsbildersammler aus der Oberpfalz. Von Renate Roßberger
Oberfranken: Wohnpapier. Feine Tapeten von der Eger. Von Anja Bischof
Mittelfranken: Aufs Papier gebracht. Die Original Hersbrucker Bücherwerkstätte. Von Tanja Oppelt
Unterfranken: Lebendiges Papier. Das Papiertheater Kitzingen. Von Jürgen Gläser
Schwaben: Immer Papier. Das Gipfelbuch. Von Doris Bimmer

Kostbares Papier. Aus der Papiermühle in Gmund am Tegernsee

Unser Wort Papier stammt vom lateinischen Papyrus; von dem aus dem Schilf hergestellten Grund, auf dem schon die Ägypter vor 3000 Jahren ihre Hieroglyphen und später die Griechen von Homer bis Platon ihre Werke geschrieben haben. Die Chinesen hatten bereits um Christi Geburt papierähnliches Material und gelten als Erfinder des eigentlichen Papiers - also einem beschreibbaren, haltbaren Bogen, den man durch Verfilzen von Fasern hergestellt hat. Von Fasern aus Baumrinde, Bastfasern, Hanf oder Lumpen. Die Araber brachten diese Erfindung über Spanien nach Europa und bald trieben auch bei uns etliche Wassermühlen Stampfwerke an, die eingeweichte Hadern zermalmt und wieder in ihre Fasern zerlegt haben. Der wässrige Brei wurde dann mit Bütten in feine Vliese gesiebt, die anschließend gepresst und getrocknet.
So geschehen auch in Gmund. Dort an der Mangfall, dem Fluss aus dem Tegernsee, steht die älteste Papierfabrik Bayerns, die noch in Betrieb ist. Seit fast 200 Jahren wird dort Papier hergestellt.

Dauerpapier. Papier als Kulturträger in Landshut

Ohne Papier ist unsere Kultur nicht denkbar. Das, worauf wir schreiben, prägt unsere Sprache und Schrift. Das, was Menschen schreiben, wurde erst durch Bücher und Zeitungen weiterverbreitet.
Ohne Papier kein Papiergeld, aber auch keine Mona Lisa oder andere bedeutende Kunstwerke.
Vielleicht also kein Zufall, dass die Italiener im späteren Mittelalter und der Renaissance nicht nur die Meister in der Kunst waren, sondern auch im Papier-Herstellen. In Fabriano nahe Ancona bildete sich das erste europäische Papiermacherzentrum heraus.
Kaufleute kamen alsbald mit dem begehrten, beschreibbaren Stoff über die Alpen und Italien wie Süddeutschland brachten die Mechanisierung der Papierherstellung deutlich voran; ja, sie waren tatsächlich auch "Drahtzieher", denn in Nürnberg entstand nicht nur die erste deutsche Papiermühle - 1390 die Gleismühl von Ulman Stromer - sondern in Nürnberg wurden kurz darauf auch die ersten vollmechanisch-halbautomatischen Drahtzieh-Maschinen entwickelt. Diese Drähte brauchte man für die Schöpfsiebe bei der Papierherstellung. Erst dank ihnen konnte das Papier immer gleichmäßiger und feiner hergestellt und in Massen qualitativ hochwertig produziert werden.

Stadtarchiv Landshut, Leiter Gerhard Tausche im Magazin zwischen 40 000 Akten

Der ersten Papiermühle in Nürnberg folgten in Bayern bald noch viele weitere; um 1470 auch eine Landshut, am sogenannten Hammerbach. Das Beispiel Landshut macht deutlich: Kaum gibt es eine Papiermühle in der Stadt, wird viel mehr aufgeschrieben. Das Papier wird zum Kulturträger und zeigt uns bis heute was wichtig war, was dauerhaft festgehalten werden sollte. Und so finden sich im Landshuter Stadtarchiv Kaufverträge, Testamente, Verordnungen - teils mehre hunderte Jahre alt.

Heiliges Papier. Ein Andachtsbildersammler aus der Oberpfalz

Auf Papier hat man festgehalten, was einem wichtig, was einem "heilig" war. Heilige Schriften gibt's in allen Weltreligionen - ob Bibel, Koran oder Sutren. Religiöse Botschaften hat man aber auch viel weniger gewichtig unters Volk gebracht: In Form von Andachtsbildern.

Andachtsbilder

Wir kennen sie als einfache, gedruckte Bildchen. In früheren Jahrhunderten gab es da wirklich aufwändig per Hand hergestellte Kostbarkeiten. Ganz Besondere sammelt seit Jahrzehnten der Chamer Kreisheimatpfleger.

Bedrucktes Papier. Die Original Hersbrucker Bücherwerkstätte

Hersbrucker Bücherwerkstätte (rechts Günther Tobisch, links Michael Gölling)

Jetzt ist das Papier gerade wieder auf dem Rückzug. Stichwort: papierloses Büro und Digitalisierung. Selbst Kunst existiert inzwischen rein virtuell in Bits und Bytes.
Doch Papierenthusiasten gibt es freilich auch noch. Die Liebhaber der Papierherstellung und -verarbeitung, wie etwa bei der "Original Hersbrucker Bücherwerkstätte". Dort sammeln sie seit Jahrzehnten alte Druckmaschinen und Setzkästen mit Schrifttypen und stellen von Hand in ihrer kleinen Werkstatt direkt an der Hersbrucker Stadtmauer bibliophile Druckerzeugnisse her.

Wohnpapier. Feine Tapeten von der Eger

Was lernen wir aus der Kulturgeschichte: Papier wurde bei uns erst dann erschwinglich, als es üblich wurde, leinerne Unterhosen zu tragen - statt wollene! Erst dann gab es genug Hadern, die man wieder verarbeiten konnte, aber irgendwann stieß auch das Lumpensammeln an seine Grenzen - spätestens als dank Gutenbergs Erfindungen Papier in Massen bedruckt werden konnte.
Im 19. Jahrhundert ist man dann draufgekommen, dass man dem Papier-Brei auch mehr und mehr Sägespäne beimischen könnte und bald hat man ein Verfahren entwickelt, hochwertiges Papier aus Holz zu produzieren.
Aus Frankreich kam dann noch um 1800 eine Maschine, die endlose Papierbahnen herstellen konnte. È voilà: Wohlhabende konnten sich alsdann mit Papier auch ihre Wände verkleiden. Zur Massenware wurde die Tapete allerdings erst nach dem 2. Weltkrieg. Dafür war auf die dann in Deutschland wirklich jeder stolz. Ein Blick in die Tapetenmanufaktur Hohenberger in Oberfranken zeigt: Heute gibt es die Tapete aus Papier so eigentlich nicht mehr.

Lebendiges Papier. Das Papiertheater Kitzingen

Papier kann unterhalten und schenkt uns Genuss; etwa wenn wir ein Buch lesen, ein Bild auf Leinband betrachten oder selbst einen Papierstern basteln.
Als es noch kein Fernsehen gab, hat man - dank Papier - auch einen wunderbaren Theaterabend genießen können.
Ob Wilhelm Tell oder Romeo und Julia - im 19. Jahrhundert erbaute sich das Bildungsbürgertum gerne zuhause mit Freunden und Nachbarn an Theaterstücken; gespielt mit Papierfiguren, die vor und hinter aufwändig gestalteten Papierbühnen bewegt wurden. Beim Kitzinger Papiertheater können wir uns noch heute davon bezaubern lassen.

Immer Papier. Das Gipfelbuch

Eintrag ins Gipfelbuch

Wir verzichten aus ölkologischen Gründen mehr und mehr auf Ausdrucke und kommunizieren möglichst viel digital, weil wir kein Papier verschwenden wollen. Es gibt aber einen Ort, an dem das wirklich nicht gut geht und wo darum sicher noch lange Papier zu finden ist: Oben auf dem Berg - am Gipfelkreuz.
Da hängt meist ein kleines Kästchen mit einem Gipfelbuch darin, das besondere Momente festhält. Es gibt sogar sogenannte Gipfelbuch-Paten, die sie betreuen. Im Allgäu ist das etwa der 80-jährige Franz Dechantsreiter.


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