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Losnächte im Stall Wenn Ochs und Esel Klartext reden

Die Weihnachtsnacht ist schon immer eine ganz besondere – heute und noch viel mehr früher. Da erzählte man sich, dass Rinder und Rösser in den Losnächten sprechen konnten. Wir haben uns auf die Spuren dieser Legende begeben.

Von: Regina Fanderl

Stand: 06.01.2019 | Archiv

Es ist ein Mysterium: Selbst wenn eine stürmische Nacht über das winterliche Land hereingebrochen ist, wenn sich der Wind wie schauerliches Heulen anhört und die Äste der Bäume knarzen, dann spürt der Mensch trotzdem eine eigenartige Stille. Eine Stille, die nie größer sein kann, als in der Heiligen Nacht.

Es sind die Rauhnächte oder die Losnächte der Vor- und Nachweihnachtszeit, in der man nach altem Glauben hört, wie das wilde Gläut durch die Lüfte zieht, in der die Percht unterwegs ist. Und es sind diese langen, dunklen Nächte, in denen der Mensch etwas erfahren kann über seine eigene Zukunft von den Tieren im Stall, die sogar wissen, wer als nächster im Haus stirbt.

Mit Weihrauch durch den Stall

Der Gschwandler Hias mit Sohn Benedikt

Der Bauer Matthias Stadler, nach dem Hofnamen "der Gschwandler Hias" genannt, hat sich trotz seiner jungen Jahre den Glauben an Sinn und Zweck der alten Bräuche seiner Heimat im Kreuther Tal nicht nehmen lassen. Es gehört einfach dazu, dass man schon vor Weihnachten und vor allem am Heiligen Abend mit dem Weihrauchpflandl durchs Haus geht und selbstverständlich auch durch den Stall.

"Wir verjagen damit die bösen Geister und schauen, dass es den Viechern wieder gut geht. Ich brauche weniger den Tierarzt, und die Viecher sind gut zu mir. Da kommt es mir schon so vor, dass das was nützt."

Matthias Stadler

Es sind diese besonderen Nächte in der Advent- und Weihnachtszeit, die oft als Orakelrituale genutzt werden und deswegen auch Losnächte heißen. Das Los steht hier für die Vorhersage, denn in jeder Losnacht kannst du etwas über dein Schicksal erfahren, sagt Gerald Huber, Redakteur und Moderator der "Zeit für Bayern" und ausgewiesener Kenner bayerischer Sprache, Geschichte und Volkskunde: "Die Viecher waren für den Bauern das Kapital, und deshalb hat man auch besonders Acht gegeben darauf. Das Wort 'Achtsamkeit' hat damit zu tun. Und in der Heiligen Nacht, hieß es, können sich die Tiere miteinander unterhalten."

Katroffeln, Bier und Streicheleinheiten

Mit seinem vierjährigen Sohn Benedikt füttert er am Heiligen Abend den 27 angehenden oder ausgewachsenen Ochsen im Gschwandler-Stall ein ganz besonderes Futter. "Wenn wir was Besonderes kriegen, sollen die auch was Besonders kriegen", sagt der Hias. "Kartoffeln haben wir ihnen schon gekocht, oder es gibt Bier, lauter solche Sachen."

Es ist bestimmt nicht das spezielle Weihnachtsfutter, das dem Besucher den Eindruck vermittelt, dass es den Gschwandler-Ochsen gut geht. Der Hias redet mit ihnen, er tätschelt, krault ihnen die Köpfe und am Hals - was ihnen sichtlich angenehm ist. Er vermittelt ihnen Zeit, Ruhe, Wissen und Respekt.

Wer gut auf sein Tier aufpasst, auf den passt auch das Tier auf, heißt es. Beim Gschwandler ist das unübersehbar der Fall, wenn ihm die Kälber entgegen- oder nachlaufen. Das Vieh, sagt der Hias, verständigt sich mit ihm über die Körpersprache und zeigt auch, wenn es einmal nicht so gut drauf ist. Dann ist Abstandhalten angesagt.


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