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Was gute Wirte und Pfarrer verbindet Leib- und Seelsorger

Gefragt ist bei beiden Berufen die Fähigkeit zur Kommunikation. Zuhören können, den Menschen an- und ernst nehmen. Denn im Wirtshaus und in der Kirche kommen d'Leut zam. Nicht nur bei Beerdigungen, Taufen oder Hochzeiten. Ein Wirte- und Pfarrerporträt aus dem Bayerischen Wald.

Von: Birgit Fürst

Stand: 08.02.2024 | Archiv

Der altbekannte Spruch "Wer nichts wird, wird Wirt" trifft bestimmt nicht auf Stefan Sitzberger zu. Mit 17 hat es ihn aus dem Bayerischen Wald in die große Stadt gezogen, nach München. Er hat Krankenpfleger gelernt, Gesundheitsmanagement studiert und sich zum Psychotherapeuten ausbilden lassen. Sitzberger hat Karriere gemacht: Eine eigene Praxis, Lehrer an Fachschulen und Dozent an der Fachhochschule. Er coacht  in den Themenbereichen Gerontopsychiatrie und Medizin-Controlling. Viele Jahre hat er in der größten Psychiatrie Deutschlands, in Haar, alle Tiefen des menschlichen Lebens kennen gelernt. Und an den Abenden und Wochenenden hat der Mann aus dem Bayerwald in Discotheken und Wirtshäusern von Freunden in München gejobbt. Diese Liebe zur Gastronomie hat ihn schließlich selbst zum Wirt werden lassen.

Stammtisch Weißenstein

In seiner Heimat in Weißenstein bei Regen, wo's aus Mangel an Wirtsleuten keine Wirtshäuser mehr gab. Aus der ehemaligen "Weißensteiner Alm" hat er den "Almwirt" gemacht und sein "Burggasthof" ist seit gut zwei Jahren für viele wieder ihr erweitertes Wohnzimmer. Denn Stammtisch, das ist Leben.  

Von Mittwoch bis Sonntag ist der 40jährige Stefan Sitzberger in Weißenstein. Montag und Dienstag in München. Wirt und Therapeut. Für ihn eine ideale Kombination.

"So anders finde ich, sind sie gar nicht die Berufe, weil es auch mit Leuten zu tun hat und man nah dran ist, auch im Wirtshaus bei den schönen Zeiten, und bei den weniger schönen Zeiten.  Der Mensch soll, wenn er bei dir war, egal ob im Wirtshaus oder damals in der Praxis, der soll nausgehen und dem soll es besser gehen oder gut gehen. Der soll sagen: das hat mir was gebracht, die Berufe sind sich schon sehr ähnlich."

Stefan Sitzberger

Ganz ähnlich sieht das Andreas Artinger, einer der Regener Pfarrer. Nicht selten findet man ihn in Sitzbergers Wirtschaften.

"Im Wirtshaus kommen die Leute zusammen zum gemeinsamen Gespräch und auch in der Kirche kommen die Leute zusammen. Man trifft sich. Im Wirtshaus nochmal anders, aber es geht beide Male um Gemeinschaft."

Pfarrer Andreas Artinger

Pfarrer Andreas Artinger

Denn zwischen einem guten Pfarrer und einem guten Wirt gibt es Ähnlichkeiten und Berührungspunkte. Beide sind Seelsorger und Seelenärzte und sie müssen sich auf die Kunst der Kommunikation verstehen, die Sprache der Menschen sprechen, nahbar sein. Artinger, der im Bayerischen Wald geboren und aufgewachsen ist, kommt selbstredend gerne zum Pichelsteinerfest, dem wichtigsten Volksfest in Regen. Er hat immer ein offenes Ohr, auch bei für die katholische Kirche so schwierigen und bedrückenden Themen wie gleichgeschlechtlicher Liebe oder der Wiederverheiratung von Geschiedenen. Kommt die Rede auf die Missbrauchsfälle in der Kirche, kann sich der 63jährige ganz schön in Rage reden.

"Für mich ist das, was da passiert, unendlich enttäuschend. Und ich täte mir wünschen, dass diese Leute und das geht jetzt ganz stark an die Bischöfe oder an die entsprechenden Bischöfe, dass die zu dem stehen, was da passiert ist. Es zieht sich ja jeder raus. Inklusive Papst, inklusive Bischöfen, dass die endlich mal zu dem stehen, was da passiert ist und was unter den Tisch gekehrt worden ist. Grundsätzlich muss sich das ganze System Kirche verändern. Total. Unsere Bischöfe sind ja allmächtig. Im Staat gibt's eine Gewaltenteilung. In der Kirche gibt's die nicht. Es muss Einrichtungen geben, wo auch der Bischof Rechenschaft ablegen muss."

Pfarrer Andreas Artinger

In dem Ärger und dem Frust über seine eigene Institution ist Pfarrer Andreas Artinger leidenschaftlich und wer ihn erlebt, bekommt eine Ahnung davon, wie eine erneuerte Kirche aussehen könnte.

Zentral in seiner Seelsorge-Arbeit ist für ihn der Trost beim Verlust eines geliebten Menschen. Oft begleitet er Hinterbliebene über Wochen und Monate und dazu gehört auch, sich an schöne Zeiten zu erinnern und auch zu lachen. Und genau deshalb sollte man nach der Beerdigung ins Wirtshaus gehen, findet der Pfarrer.

"Ich habe neulich eine Beerdigung gehabt von jemandem, den ich gut gekannt habe und beim Leichentrunk, haben wir die eine oder andere Geschichte rausgeholt, die wir mit ihm erlebt haben. Weil das Leben weitergehen muss. Weil man dann nicht nach dem Grab alleine dasteht, weil man dann in einer Gemeinschaft, sei es die Verwandtschaft, sei es Freunde oder sonst was, nochmal beieinander ist."

Pfarrer Andreas Artinger

Bei der Beerdigung gehören Kirche und Wirtshaus also zusammen, genauso bei der Hochzeit oder der Taufe. In beiden Häusern werden die freudigen Anlässe gefeiert genauso wie die Trauer ihren Raum bekommt. Wirt und Pfarrer sind Gastgeber, das heißt, sie sind für Menschen da, die sich bei Ihnen wohl fühlen sollen und beide freuen sich wenn man zu ihnen ins Wirtshaus oder die Kirche kommt. Egal, ob Akademikerin oder Arbeiter.

Stefan Sitzberger

Essen und Trinken hält Leibe und Seele zusammen. Darin sind sich Wirt Sitzberger und Pfarrer Artinger mehr als einig. Und auch, dass Beruf immer etwas mit Berufung zu tun haben sollte. Und beide haben noch eine Gemeinsamkeit. Sie sind Single. Der Wirt ausgesprochen zufrieden damit und für Pfarrer Artinger war der Zölibat immer ein Thema. Denn daheim, in seiner gemütlichen Wohnung, da wartet niemand auf ihn.

"Ich habe natürlich immer wieder Frauen kennen gelernt, wo ich mir vorstellen hätte können, wenn ich jetzt nicht Pfarrer wäre, ich könnte mir eine Familie vorstellen, ich könnte mir eine Partnerschaft vorstellen, und das merke ich schon auch. Es gibt sehr wohl oft Situationen, wo du heimkommst und denkst: mei, wäre das jetzt schön, wenn heute jemand da wäre, wenn Du Dich mit jemand austauschen könntest. Jetzt setzen wir uns auf ein Glasl Wein hin, wie auch immer, das ist sehr wohl etwas, was Du Dir wünschen tätest. Es gibt das andere auch, dass ich heimkomme und gottseidank ist niemand da. Aber das gibt's überall."

Pfarrer Andreas Artinger

Er liebt seinen Beruf, dieser bodenständige Bayerwäldler Andreas Artinger, der nun schon seit 35 Jahren Pfarrer ist. Ein Seelsorger im besten Sinne so wie Wirt Stefan Sitzberger eben ein Leibsorger ist.

Mit Leib und Seele aufgenommen in den Himmel - das wär´s doch. Und vielleicht muss man in Bayern nicht einmal heilig sein, um schon einen ganz kleinen irdischen Vorgeschmack darauf erleben zu dürfen: In der Kirch … und im Wirtshaus.


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