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Kommentar zu Weinstein-Urteil Zeichen für eine neue Zeit

Einst war Harvey Weinstein einer der mächtigsten Männer Hollywoods. Nun muss der Filmproduzent wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung für 23 Jahre ins Gefängnis. Mit dem Urteil haben die Richter auch ein Signal gesendet, meint Peter Mücke.

Von: Peter Mücke

Stand: 12.03.2020

Harvey Weinstein | Bild: dpa-Bildfunk

Die Reue – wenn sie denn überhaupt ernst gemeint war – kam zu spät. Am Tag der Strafmaßverkündung bettelte der ehemalige König von Hollywood um Gnade. Er fühle tiefe Reue gegenüber den Opfern, gegenüber allen Frauen. Er sei völlig verwirrt. Er versuche wirklich ein besserer Mensch zu sein, flehte er den Richter an.

Von Hollywood ins Gefängnis

Größer könnte der Absturz gar nicht sein für den Mann, der nach den Worten seiner Hauptverteidigerin den Schlüssel zum Hollywood-Traumschloss hatte, in das alle hineinwollten. Jetzt hat Weinstein nicht mal mehr den Schlüssel für die Gefängniszelle, in der er wohl den Rest seines Lebens verbringen wird.

Und diese gesellschaftliche Ächtung eines Mannes, dem nicht nur Hollywood, sondern auch die US-amerikanische Politprominenz zu Füßen lag, die gerne das Geld des Millionärs nahm und sich in der Prominenz des Erfolgsproduzenten sonnte, gegen den es schon seit Jahrzehnten schwere Vorwürfe gab, wiegt vielleicht schwerer als die Strafe selbst.

Urteil stand auf der Kippe

Am Ende war es schwierig, Weinsteins Vergehen überhaupt vor Gericht zu bringen. Von den mehr als 80 Frauen, die dem Film-Mogul sexuelle Übergriffe vorwerfen, fanden sich gerade mal zwei, die ihre Fälle durchfechten konnten oder wollten: die anderen waren verjährt, die Frauen hatten sich auf einen Deal mit Weinsteins Anwälten eingelassen oder die Fälle waren nicht justiziabel.

Eine Gerichtssaal-Skizze stellt Harvey Weinstein (M), den früheren Hollywood-Produzenten, während der Gerichtsverhandlung dar.

Das harte Urteil von 23 Jahren darf auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der New Yorker Prozess auf der Kippe stand. Die beiden verhandelten Fälle waren längst nicht so eindeutig, wie sie zunächst aussahen, weil beide Frauen auch einvernehmliche sexuelle Begegnungen mit Weinstein hatten und lange freundschaftlichen Kontakt zu ihm hielten. So sprach die Jury ihn auch nur in zwei von fünf Anklagepunkten schuldig – und zwar in den am wenigsten schwerwiegenden.

Dass das Strafmaß dennoch so hoch ausfiel – die Verteidigung hatte fünf, die Anklage 25 Jahre gefordert – werten Weinsteins Anwälte als Beleg dafür, dass an ihrem Mandanten ein Exempel statuiert werden soll. Ein erstes Opfer für die sogenannte MeeToo-Bewegung, die jetzt – wie Weinstein vor Gericht sagte – tausende Männer beschuldige, weshalb er sich „Sorgen um dieses Land mache“.

Die Zeiten haben sich geändert

Auch wenn dieser Vorwurf aus der Luft gegriffen ist – der Richter hat sehr genau begründet, warum er so geurteilt hat – ist das Strafmaß, ja, der gesamte Prozess, ein Beleg dafür, dass sich das Klima in den USA und nicht nur dort geändert hat. Vorbei die Zeiten, in denen ein Verhalten, das Weinstein und anderen mächtigen Männern vorgeworfen wird, stillschweigend toleriert wurde. Oder sich ein Jeffrey Epstein, der einen Sexring mit minderjährigen Mädchen betrieben haben soll, regelrecht freikaufen konnte.

Dass ist das eigentliche Signal, dass vom Weinstein-Urteil ausgehen sollte: Die Zeiten haben sich geändert – aber trotzdem muss immer im Einzelfall entschieden werden. Pauschale Vorverurteilung darf es auch in den neuen Zeiten nicht geben. Das gilt für die mutmaßlichen Opfer ebenso wie für die mutmaßlichen Täter.


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