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Das neue Europa Die EU in der Praxis

Entscheidungen der EU sind äußerst kompliziert. Doch das sind sie nicht etwa, weil die EU-Abgeordneten nichts zustande bringen, sondern weil bei jeder Entscheidung alle Länder mitreden wollen und müssen. Wie funktioniert die EU und wo hakt es?

Stand: 14.03.2020 | Archiv

Flaggen | Bild: colourbox.com

Ehe ein Gesetz vom Parlament beschlossen wird, muss erst einmal die Regierung, also die Kommission, einen Vorschlag machen. Dazu soll sie den Rat der Regionen befragen, in dem auch Landräte oder Bürgermeister sitzen. Es muss geklärt werden, ob die Menschen in der Region das Gesetz wollen. Dann muss sie den jeweiligen Fachministern der EU einen Vorschlag machen. Daraufhin tagen die Fachminister der Länder, anschließend ist die Reihe an den Staats- und Regierungschefs der Einzelstaaten. Sie machen Einwände geltend, die für ihr Land wichtig sind. Oft müssen sie in Streitfragen entscheiden, bei denen sich die Fachminister nicht einigen konnten. Dann erst geht die Richtlinie oder Verordnung ins Parlament.

Ein Gesetz hat einen langen Weg hinter sich, wenn es hier im Europa-Parlament beschlossen wird.

Warum ist das so kompliziert? Weil die Politiker der Einzelstaaten bei allen Entscheidungen dabei sein wollen. Sie vertreten die Bürger ihres Landes, und diese Bürger haben von Staat zu Staat oft völlig unterschiedliche Meinungen.

Zu viele Verordnungen?

Die EU produziert etwa dreimal so viele Gesetze und Verordnungen wie Deutschland - ein Grund für Europa-Skepsis. Ist sie gerechtfertigt? Eine Verordnung, in der alle Europa-Skepsis gipfelte, war die Dienstleistungsrichtlinie der EU. Darin sollte gesichert sein, dass jeder Europäer in einem anderen EU-Land arbeiten kann - das ist ein Grundrecht. Aber zu welchen Löhnen - das war die Frage. Weil die Gewerkschaften Druck machten, gelten auch für Ausländer die Löhne des Landes, in dem sie arbeiten, und nicht die Löhne des Landes, aus dem sie kommen. Lohndumping wird eingeschränkt. Mithilfe des EU-Parlamentes haben sich die Gewerkschaften in der EU durchgesetzt.

Zu viele Beamte?

Seit den 1950er-Jahren ist die Zahl der Europa-Beamten ständig gestiegen. 2008 waren es 32.000 Beamte für 490 Millionen Bürger in 27 Staaten. Allein das Bundesfinanzministerium, zuständig für 80 Millionen Deutsche, hatte im Jahr 2007 fast ein Drittel mehr Beamte als die gesamte EU, nämlich 41.000.

Zu viel Geld für die Landwirtschaft?

Können wir uns teuer subventionierte Milch noch leisten, wenn das Geld woanders fehlt?

Ursprünglich ging es in der EU darum, die unterschiedlichen Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft durch Fördermittel auszugleichen, unterschiedliche Bodenqualitäten und Höhenlagen zum Beispiel. Doch inzwischen ist die Landwirtschaft-Bürokratie zum Moloch angewachsen, sie frisst große Teile des EU-Etats. Können wir uns teuer subventionierte Milch noch leisten, wenn das Geld woanders fehlt? Zeitweilig sind fast 80 Prozent des EU-Haushalts in die Landwirtschaft geflossen. Doch in den letzten Jahren sind die Agrarzuschüsse weniger geworden. 2007 lagen sie noch bei 42 Prozent. Die Einzelstaaten müssen wieder mehr Subventionen selbst auszahlen.

Fazit

Europa ist als große Vision gestartet, hat Frieden und Wohlstand gesichert. Der Traum kann Wirklichkeit werden, wenn sich die Bürokratie auf das notwendige Maß beschränkt. Europa muss zu seinen Zielen zurückkehren: eine Einheit in Vielfalt.