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Die "Bavarian Pickers" Männer, die alten Autos Geschichten entlocken

Oldtimer-Fans sammeln Wissen über Automodelle oder Anekdoten zu deren Entwicklung. Ein paar Auto-Freaks reicht das nicht: Sie wollen den individuellen Geschichten einzelner Fahrzeuge nachspüren. Wir gehen auf die Jagd mit den "Bavarian Pickers".

Von: Anja Scheifinger

Stand: 03.01.2023 | Archiv

Eine Zeitreise im oberpfälzischen Birgland, im "Maulwerk" von Tino Ertel. Lagerplatz und Werkstatt für Oldtimer. Ich nehme Platz auf einem Sofa aus den 50er-Jahren und schaue auf eine Bar, die aus einer Front eines alten VW-Busses besteht. Schon sind wir mitten im Thema der "Bavarian Pickers". So nennen sich Tino Ertel und Thomas Turnwald, wenn sie ihrer Leidenschaft nachgehen: Alte Fahrzeuge aus den 50er und 60er Jahren aufzuspüren. Dabei sind sie auf Hinweise angewiesen wie diesen:

"Hinten im Gestrüpp, da steht ein alter Bus. Der Thomas und ich haben dann gleich recherchiert, um was es sich da handeln könnte. Und letztendlich stellte sich raus, dass das der zu diesem Zeitpunkt älteste existierende Postbus ist, Baujahr 1953."

Tino Ertel, Bavarian Pickers

Wir blättern im Fotoalbum und betrachten den alten VW-Postbus, wie er im Garten eines heute 94-Jährigen steht.

"Der hat den Bus 1960 von einem benachbarten Schrotthändler für kleines Geld gekauft, für seine vier Töchter als Spielhaus. Ohne Motor, das war nix mehr wert damals und dann hat er das in den Garten gestellt, um für seine Kinder ein Spielhaus zu haben. Da sieht man Originalfotos aus dem Jahr 1960/61 vor dem Bus sitzen mit dem Schild 'glückliches Kleeblatt'. Die haben den ein bisschen angemalt und dekoriert und sich's gemütlich gemacht da drin."

Tino Ertel und Thomas Turnwald, Bavarian Pickers

Den Geschichten alter Fahrzeuge nachspüren

Die Bavarian Pickers wollen dem Mann den Bus abkaufen, ihn bergen – das ist eine logistische Hochleistung, aber so haben sie es schließlich schon oft gemacht. Aber warum birgt man ein Fahrzeug, das von Bäumen, Moos und Rost eingenommen wurde? Es sind die Geschichten dahinter, die sie faszinieren, antworten beide wie aus einem Mund.

"Diese Fahrzeuge wurden zweckentfremdet. Wir hatten da schon die verschiedensten Dinge, die in verlassenen Schrebergärten standen: ein Bienenhaus, ein Gartengerätehaus oder Lifthaus, wo der Motor von dem Lift angetrieben wurde – eben diese Geschichten, warum die dort standen und zweckentfremdet wurden – also uns bedeuten die Geschichten dahinter mehr als das verrostete Blech."

Tino Ertel, Bavarian Pickers

Die Bavarian Pickers können den Besitzer schließlich überzeugen und den Bus "mitnehmen".

"Jetzt haben wir ein Vorher-Nachher-Bild. Also vorher ein kaum zu erkennendes Fahrzeug, rot lackiert. Auf dem nächsten Bild ein gelber VW-Bus mit Rädern, mit Fensterscheiben. Dafür haben wir in erster Linie die Karosserie in Form gebracht, die Fenster wieder eingesetzt, den Bus auf Achsen gestellt, auf Räder gestellt, der Thomas und ich haben versucht, den zweiten Lack zu entfernen. Nun ist er wieder eindeutig als Bus der Deutschen Bundespost zu erkennen."

Tino Ertel, Bavarian Pickers

Die Schatzsuche beginnt meist mit einem Tipp

Wenn sie einen Hinweis bekommen, dass irgendwo ein Fahrzeug herumsteht, das für die meisten nur ein Haufen Schrott ist – dann beginnt für die Bavarian Pickers ihre Schatzsuche, wie sie es nennen.

"Am spannendsten war der Mercedesbus. Der stand im Wald, ohne Fenster, als wir ihn geborgen haben. Wir sind dahingelaufen, auf einmal sieht man dieses Monster da stehen, das Wetter hat gepasst, die Landschaft war mit Nebel überzogen – gigantisch!"

Thomas Turnwald, Bavarian Pickers

Dankbar über jeden Hinweis

Die Bavarian Pickers freuen sich dabei über jeden Tipp, sie gehen jeder Spur nach, müssen aber natürlich nicht immer gleich alles mitnehmen. Abgesehen davon, dass sie Wracks auch nur dann mitnehmen können, wenn sie die Besitzer ausfindig machen und diese einverstanden sind. Dann bergen sie die Autos oder die Reste davon.

"Schätze" im Hinterhof

Schließlich zeigen mir die beiden noch den Hinterhof der Werkstatt, wo sie noch einige Fundstücke gelagert haben. Einen alten, weißen BMW aus den 60er Jahren, durch den ein Baum gewachsen ist. Oder eine Isetta, einen BWM 600, den sie vor zwei Jahren aus einem Bach geborgen haben.

Und dann stolpere ich beinahe über einen paar verrostete Bleche, die ich nicht bemerkt habe. Für mich sehen sie aus wie Abfall, aber die Augen von Tino Ertel und Thomas Turnwald leuchten, als sie sagen: "Hier stehen unsere Schätze."

"Auch wenn man nur noch Fragmente für andere Fahrzeuge nutzen kann: Das sind ganz, ganz frühe VW-Busse aus den 50er Jahren, die hatten nur eine Hecktür."

Tino Ertel, Bavarian Pickers

Für mich liegen da nur Blechhaufen, stehen tut da nicht mehr viel. Ob sich das alles auch finanziell lohnt, will ich noch wissen. Das muss es nicht, sagen die beiden. Schließlich ist das ihr Hobby.

"Im Idealfall, wenn wir einen neuen Besitzer finden, kriegen wir unsere Unkosten grob rein, das haben wir ein oder zweimal geschafft. Sonst nein. Es geht uns aber um die Sache. Es ist schön, das zu sehen, zu bergen, wenn sich am Schluss jemand findet der wieder was daraus macht, dann haben wir alles, was wir wollen."

Thomas Turnwald, Bavarian Pickers


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