TV & Serie // "The Alienist" ("Die Einkreisung") Geiler Look, aber nix dahinter

Eine Serie, die auf dem Krimi "Die Einkreisung" von Caleb Carr basiert. New York im Jahr 1896. Daniel Brühl, Luke Evans und Dakota Fanning, die einen Serienkiller jagen. Klingt alles super. Das Ergebnis ist allerdings so lala.

Von: Vanessa Schneider

Stand: 17.04.2018 | Archiv

Szene aus der Netflix-Serie "The Alienist" | Bild: Netflix/Kata Vermes

Die Nacht ist finster und kalt, es schneit und kein Mensch ist auf den Straßen Manhattans zu sehen. Und da liegt er. Ein Junge, tot und aufs Grausamste verstümmelt. Er trägt ein weißes Kleid, denn er verkauft sich als Mädchen verkleidet an Freier. Im New York von 1896 gibt es viele wie ihn: Sie sind arm, vernachlässigt und werden vom Auge des Gesetzes einfach ignoriert. Und so fällt der Polizei auch gar nicht auf, dass dieser Junge nicht das einzige Opfer ist. Dr. Lazlo Kreizler erinnert sich dagegen sehr gut an einen ähnlichen Fall – ein Patient von ihm, ein kleiner Junge, der gern die Kleider seiner Schwester trug. Er ahnt: Ein Serienkiller hat es auf Kinderprostituierte abgesehen.

Daniel Brühl als Dr. House der viktorianischen Medizin

Der reiche, aber ziemlich eigenbrödlerische Kreizler hat sich auf die Leiden des Geistes spezialisiert. Er ist ein sogenannter Alienist, eine frühe Form des Psychologen, der ein Kinderheim betreibt und in seiner Freizeit die dunkelsten Abgründe der menschlichen Psyche erkundet. Kreizler ist ein Dr. House der viktorianischen Medizin. Ein Vorwärtsdenker, der permanent aneckt und kaum Freunde hat – kein Wunder, denn dieser Dr. Kreizler ist auch furchtbar dröge. Das liegt einerseits an den sperrigen Dialogen, aber auch daran, wie steif und bedeutungsschwanger er von Daniel Brühl gespielt wird. (Es ist übrigens seine erste Serienrolle seit dem Beginn seiner Karriere in der Vorabend-Soap "Verbotene Liebe".)

Kreizler schickt also seinen Freund, den Zeitungsillustrator John Moore (gespielt von Luke Evans aus "Der Hobbit”) zum Tatort, weil Kreizlers neumodische, psychologische Methoden nicht so gut ankommen bei der New Yorker Polizei.

Ähnlich wie schon bei der Krankenhausserie "The Knick" und der 20er-Jahre-Serie "Babylon Berlin" verortet "The Alienist” eine fiktionale Crime-Story in einem historischen und gut recherchierten Setting. Die Serie erweckt eine Zeit wieder zum Leben, die wahnsinnig faszinierend und fremd ist.
Im Mittelpunkt steht die Stadt mit all ihren Gegensätzen: In der Hoffnung auf den amerikanischen Traum kämpfen tausende Einwanderer in dreckigen Slums ums Überleben, während die High Society feiert und sich die Männer der Gesellschaft auf Kosten der Verzweifelten ihrem Vergnügen hingeben.

Die Männer verblassen gegen eine Polizeisekretärin

Die toughe und sehr ehrgeizige junge Sekretärin Sara Howard (Dakota Fanning aus "Twilight") ist – zumindest in der Serie – die erste Frau bei der New Yorker Polizei. Und sie muss sich so einiges gefallen lassen: anzügliche Sprüche, Geringschätzung, Männer, die vor ihren Augen ungeniert in ihre Pisspötte pinkeln. Doch das lässt sie an sich abperlen wie eine Teflonpfanne. Dr. Kreizler rekrutiert sie in sein Team von Amateurdetektiven – denn nur sie hat Zugang zu Polizeiakten. Sara ist die einzige wirklich interessante Figur in "The Alienist". Sie ist so modern, dass sie auch als Stellvertreterin von vielen Frauen heute funktioniert, die wegen ihres Geschlechts auf der Arbeit benachteiligt und sexuell belästigt werden. "The Alienist" ist dabei durchaus kritisch und lässt Sara Ungleichheiten kommentieren, ohne dass es aus der Zeit gefallen scheint.

Leider bleiben diese Momente aber eine Seitennotiz. Die Morde an den männlichen Kinderprostituierten sind nichts weiter als ein möglichst schockierendes Vehikel, um die 08/15-Krimigeschichte irgendwie voranzutreiben. Und auch das Amateur-Detektivteam um Dr. Kreizler wirkt leider eher bemüht als besonders originell. Wenn man dran bleibt, dann nur, weil die Kulisse und das historische New York so unfassbar gut gemacht sind – aber nicht wegen der Story.

"The Alienist" ist ab 19.04.2018 bei Netflix verfügbar.

Sendung: Hochfahren vom 18.04.2018 – ab 07.00 Uhr.