Serie // "The Umbrella Academy" Superhelden machen noch keine super Familie

Netflix setzt mit "The Umbrella Academy" mal wieder auf Superhelden – aber nicht von Marvel oder DC, sondern einem kleineren Verlag. Die Comic-Vorlage hat der ehemalige Frontmann der Band My Chemical Romance geschrieben.

Von: Katja Engelhardt

Stand: 06.03.2019 | Archiv

The Umbrella Academy | Bild: Netflix

Diese Serie gehört auf eure Watchlist, wenn... ihr Bock auf Comic-Serien habt und Marvel-Helden wie "Jessica Jones" euch schon langweilen oder ihr an der Serie "Matrjoschka" die Zeitschleifen am meisten mochtet. Vielleicht binget ihr aber auch gerne so richtig Emo-mäßige Familiengeschichten wie "The Haunting Of Hill House".

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Familienprobleme – wer kennt sie nicht? Die Familie in der Serie "The Umbrella Academy" hätte eigentlich direkt in der ersten Folge geschlossen zum Therapeuten gehen sollen. Hier treffen Geschwister seit Jahren zum ersten Mal wieder aufeinander, zur Beerdigung von ihrem Vater – oder eher Ziehvater. Der Milliardär und Abenteurer Sir Reginald Hargreeves hat sie als Kinder, nun ja, zusammengesammelt, adoptiert und großgezogen wie Angelina Jolie ihre multikulturellen Sprösslinge. Sie alle sind an verschiedenen Orten der Welt zum gleichen Zeitpunkt geboren worden – obwohl ihre Mütter am Morgen des Tages nicht die geringsten Schwangerschaftsanzeichen gezeigt hatten.

Eine der dysfunktionalsten Familien der Serienwelt

Alle sieben sind Superhelden, jeweils mit eigenen krassen Fähigkeiten oder besser: fast alle. Eine von ihnen, Vanja, war immer stinknormal und deswegen außen vor. Die anderen haben als Kinder in der Umbrella Academy noch zusammen gegen das Böse gekämpft. Als sich jetzt alle bei der Beerdigung wiedertreffen, gibt es regelrechte Grabenkämpfe zwischen ihnen. Außerdem ist ein Bruder tot, ein anderer verschollen. Die Restlichen leben so unterschiedlich, wie es nur geht: Diego ist Verbrechensbekämpfer im Alleingang. Luther war die letzten vier Jahre auf dem Mond. Allison ist Filmstar und Mutter und Klaus ein krasser Junkie – mega gut gespielt von Robert Sheehan, der auch in der Serie "Misfits" schon der vorlaute Typ war, der sich vor allem selbst im Weg steht.

Die Geschwister verstreuen die Asche des Vaters... so zumindest der Plan.

So hat jede Person ihre Rolle. Es gibt den aufbrausenden Verwegenen, die schüchterne Ausgegrenzte, den naiven Helden mit großen Idealen – und mit sich haben die Geschwister weiß Gott schon genug zu tun. Dann taucht auch noch der verschollene Bruder "Nummer 5" wieder auf. Er weiß: Die Welt wird in acht Tagen untergehen. Damit ist Mission klar. Die Geschwister finden sich letztlich wieder als Umbrella Academy zusammen, um die Apokalypse zu verhindern. Wobei sie natürlich erst einmal zu sich finden und so einige familiäre Geheimnisse lüften und mit ihrer verkorksten Kindheit abschliessen müssen, denn Hargreeves war nicht der liebevollste Vater. Und das alles passiert zu einem echt guten Soundtrack.

Auch gut: Die sieben Superhelden sind im Comic noch alle weiß, der Cast der Serie aber divers und wartet mit Stars wie Musikerin Mary J. Blige und Ellen Page auf und hat mit Aiden Gallagher echt einen 15-jährigen Nickelodeon Star gefunden, der mega trocken die besten Sprüche raushaut.

Comic-Vorlage vs. Netflix-Serie – der Kampf beginnt

Die Serie "The Umbrella Academy" basiert auf dem wundervoll abstrusen gleichnamigen Comic. Der ist genial, aber sicher auch eine krasse Herausforderung, wenn er zur Serie umgewandelt werden soll. Dafür eine geeignete Serien-Optik zu finden ist nicht leicht, aber gelingt – obwohl die erste Fogle noch düsteren Wes Anderson erhoffen lässt und sich das dann leider ziemlich fix erledigt.

Auch an der Handlung hat man ordentlich schrauben müssen, immerhin muss der Comic auf Serienlänge ausgedehnt werden. Dabei wurden Handlungsstränge hinzugefügt, die zum Großteil nett, aber schlicht unnötig und auch noch vorhersehbar sind. Statt die Charaktere mehr zu erklären, wer macht was wie und wieso eigentlich, wird uns unfassbar viel Handlung um die Ohren geballert. Da ist hier mal eine Love Story, dort extra ein Drama, ein anderes mal mega die Action. "The Umbrella Academy" ist der eine Mitschüler, der in jeder Gruppe auf dem Schulhof anders war, weil er sich immer bis zur Perfektion angepasst hat.

Aus der Comicvorlage "The Umbrella Academy"

Die Serie will es allen recht machen. Klar, gibt es halt die Fans des Comics, die man nicht enttäuschen will. Und für die gibt es auch jede Menge Anspielungen, wie die Kellnerin Agnes, die fast nichts mit der Vorlage zu tun hat, aber denselben Namen trägt. Oder der Style vom Butler-artigen Schimpansen Pogo. Ist nicht der aus dem Comic, aber einer der ersten Entwürfe für die Graphic Novel.

Aber auch ohne dieses Extra speziell für die Comic-Fans muss die Serie funktionieren. Das tut sie aber leider nur bedingt. Denn ab und an passieren Dinge, die ohne den Comic gelesen zu haben überhaupt keinen Sinn ergeben und einige Folgen ähneln dem Ergebnis einer Zuschauerumfrage nach dem Motto "Was hättest du denn gerne?". Mit dieser Serie haben bestimmt ganze viele Leute sehr viel Spaß. Aber mit ein bisschen mehr Mut zur Nische wäre "The Umbrella Academy" mehr als eine okaye Serie, die man mal schauen kann. Und das ist trotz guter Unterhaltung echt ärgerlich.

"The Umbrella Academy" könnt ihr via Netflix streamen.

Die Comicvorlage "The Umbrella Academy" von Gerard Way und Gabriel Bá ist bei Dark Horse erschienen und gibt es auch auf Deutsch, dann im Cross Cult Verlag.

Sendung: Hochfahren, 06.03.2019 - ab 7 Uhr.