Zahlreiche Impfkabinen stehen in einem zukünftigen Impfzentrum. (Symbolbild)
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Corona-Impfskepsis: Berechtigt oder diffuse Angst?

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Corona-Impfskepsis: Berechtigt oder diffuse Angst?

Ab Januar soll es in Bayern erste Impfungen gegen das Virus geben, die Zulassung des Impfstoffs könnte sogar schon in der kommenden Woche klappen. Für viele Menschen eine große Hoffnung. Für andere verbindet sich damit eine große Angst.

Die Skepsis gegen die Corona-Impfung ist groß. Und sie beschränkt sich nicht auf Impfgegner und Verschwörungstheoretiker. Laut einer Umfrage der Universität Erfurt von Mitte November wären nur gut die Hälfte der Deutschen bereit, sich impfen zu lassen. Mitte April waren es noch 79 Prozent der Befragten.

Skepsis aus verschiedenen Gründen

Viele Menschen haben ganz offensichtlich eine gewisse Angst vor der Impfung. In der Untersuchung aus Erfurt heißt es, "die Impfbereitschaft gegen COVID-19 ist höher für Personen, die Vertrauen in die Sicherheit der Impfung haben." Besondere Sorgen bereiten vielen Menschen mögliche Nebenwirkungen der Immuni­sie­rung. Das zeigt eine Befragung, die schon vor Monaten unter Leitung des Hamburg Center for Health Econo­mics (HCHE) der Universität Hamburg entstanden ist. Zu diesen Nebenwirkungen können kurzfristige allergische Reaktionen gehören genauso wie langfristige Gesundheitsschäden. Andere Skeptiker bezweifeln grundsätzlich die Wirksamkeit der Impfung.

Experte lobt Biontech-Impfstoff

Florian Krammer, Österreicher im New Yorker "Exil", hat an der Biontech-Pfizer Studie teilgenommen. Er ist Professor an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai und lobt den Impfstoff: "Also wenn man sich das anschaut, in Relation zu anderen Impfstoffen, das ist fast gleich gut wie Masern-Impfstoffe. Es ist besser als Mumps-Impfstoffe. Es ist viel besser als Influenza-Impfstoffe. Das ist schon eine sehr gute Effizienz."

mRNA-Impfstoff verändert nicht unsere DNA

Die Impfstoffe von Biontech und von Moderna benutzen ein neues Verfahren: Sie sind mRNA-Impfstoffe. Verimpft werden nicht abgeschwächte oder tote Erreger, sondern eigentlich ein Bauplan: Ein kleines Stück Erbmaterial, das in unsere Zellen wandert und die dann veranlasst, selbst ein Stück der Virushülle nachzubauen. Und gegen dieses Virusfitzelchen reagiert dann das Immunsystem. Aber: Kann jetzt dieses Erbmaterial, diese mRNA bei uns etwas anrichten, sich zum Beispiel in unser Erbgut einbauen, also in unsere DNA?

Nein, sagen Fachleute wie der Berliner Infektiologe Leif-Erik Sander von der Charité: es kommt gar nicht an unsere DNA ran: "Um in unser Erbmaterial reinzukommen, müsste es noch in den Zellkern kommen und müsste vorher noch umgeschrieben werden in eine DNA. Aber unser Körper hat nicht die Enzyme, um aus der RNA eine DNA zu machen und deshalb ist das ausgeschlossen, dass sich die RNA bei uns im Genom integriert."

Solide klinische Prüfung

Trotzdem: Ein neues Verfahren und ein neuer Impfstoff, der auch nur ein paar Monate getestet worden ist – wie sicher ist das? Das Verfahren an sich wird seit gut zehn Jahren entwickelt und erprobt, bei der Suche nach Impfstoffen gegen Mers, Zika und Tollwut zum Beispiel. Und Biontech forscht seit Jahren an dieser Technik, um damit einen Impfstoff gegen Krebs herzustellen. Die Experten können das Misstrauen gegen die neue Technik nachvollziehen, beruhigen aber dennoch.

Der Virologe Gerd Sutter, forscht an der Münchner Uni selbst an einem Impfstoff gegen Corona, ist an den mRNA-Impfstoffen aber nicht beteiligt. Trotzdem ist er sicher: "Die Entwicklung der neuen Impfstoffe folgt genau den Vorgaben einer soliden klinischen Prüfung, und da sind alle mir bekannten Ergebnisse sehr gut und daher alle Ampeln auf Grün geschaltet."

Studienteilnehmer werden lange beobachtet

Auch wenn Forscher die Corona-Impfstoffe also im Turboverfahren entwickelt haben: Wie bei allen Impfstoffen, wurde keine Phase im Ablauf ausgelassen. Doch wie steht es mit Neben- und Langzeitwirkungen? Sowohl Moderna als auch Biontech-Pfizer melden bislang nur die impfüblichen Nebenwirkungen: Müdigkeit, leichtes Fieber, Schmerzen an der Einstichstelle – selbst in den groß angelegten Phase-III-Studien mit mehreren zehntausend Probanden.

Dennoch wird man die Impflinge weiter beobachten. Auch das passiert im Prinzip bei jedem Medikament. "Weil sich natürlich Nebenwirkungen, die vom Immunsystem ausgehen – und man aktiviert ja eine Immunantwort mit dem Impfstoff – manifestieren können, auch später noch", sagt Leif Erik-Sander. "Das hat man beispielsweise mit dem Schweinegrippe-Impfstoff auch sehr, sehr viel später gesehen. Das sind sehr seltene Fälle gewesen, aber deshalb ist es wichtig eben, diese Studienteilnehmer noch länger zu beobachten."

Fazit: Wer sich für eine Impfung gegen Sars-Cov-2 entscheidet, geht gewisse Risiken ein. Damit sieht es bei einer Corona-Impfung aber nicht anders aus als bei vielen anderen Impfungen und Medikamenten auch.

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