NSU-Prozess


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341. Verhandlungstag, 26.1.2017 Tauziehen um Gutachter geht weiter

Am 341. Verhandlungstag wurde heute die Befragung des Sachverständigen Henning Saß fortgesetzt. Er bekundete mündlich seine Beobachtungen der Hauptangeklagten Zschäpe zu ihrem Verhalten und Ausdruck im Gerichtssaal. Und ein Gerücht huschte über die Pressetribüne.

Von: Eckhart Querner

Stand: 26.01.2017 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: Julia Meuller

26 Januar

Donnerstag, 26. Januar 2017

Das Oberlandesgericht plant angeblich zusätzliche Verhandlungstage bis zum Januar 2018. Mehrere Prozessbeteiligte erhielten demnach eine Anfrage, ob sie auch in der zweiten Jahreshälfte 2017 zur Verfügung stünden. Die Pressestelle des OLG weiß allerdings nichts davon, eine Bestätigung gab es deswegen heute nicht. Allerdings entspricht dieses Vorgehen dem bisherigen Procedere. Der Senat hat immer wieder Verhandlungstermine ‚bevorratet‘, also lange im Voraus vorsorglich festgelegt. Das muss aber nicht heißen, dass diese Termine auch benötigt werden. Aber wer weiß…

Es war ein ganzes Bündel an Beobachtungen, die Psychiater Saß heute im Gerichtssaal A101 vortrug. Beginnend am ersten Verhandlungstag im Mai 2013 schildert der Sachverständige, welche Stimmungsschwankungen der Hauptangeklagten er in mehr als dreieinhalb Jahren NSU-Prozess wahrgenommen hat. So habe Zschäpe am ersten Prozesstag sehr konzentriert und wach gewirkt, später sei sie mit ihrem Laptop beschäftigt gewesen. Für Saß meistens ein Zeichen von nachlassender Aufmerksamkeit Zschäpes oder als Möglichkeit, sich vor belastenden Zeugenaussagen zu schützen – oder zu verstecken.

Zwischen Aufmerksamkeit und Resignation

Zschäpes Haare hatten dabei offensichlich eine abschirmende Funktion, genau wie ein großer Fernseher direkt vor der Verteidigerbank, der ihr immer wieder als Sichtschutz diente. Saß schildert Gleichgültigkeit, Resignation, Aufmerksamkeit, mal kühl sachliches Interesse, mal ein scherzender Austausch mit ihren Verteidigern oder ein spöttisches Lächeln.

Saß beschreibt auch die Veränderungen im Umgang Zschäpes mit ihren männlichen Pflichtverteidigern. Am Anfang ein freundliches Scherzen, Mitte 2014 die erste Krise im Verhältnis zu den Verteidigern und der erste Vertrauensbruch, dann der vollständige Bruch. Saß schildert Zschäpe in dieser Situation als sicher und entschlossen, im weiteren Verlauf in ihrem Verhalten sogar als eisig und ablehnend.

Gepresste Stimme

Als Zschäpe nicht angekündigt im Herbst 2016 plötzlich selbst das Wort ergreift und die Prozessbeteiligten ihre Stimme hören können, beobachtet der Gutachter sie als äußerlich beherrscht, aber innerlich angespannt und nervös: „Ihre Stimme wirkt gepresst.“

Alles in allem ergeben sich aus Sicht des Gerichtsgutachters keine Hinweise auf psychische Störungen bei der Hauptangeklagten, statt dessen teils konstante, teils sich verändernde Verhalten. Zschäpe ist demnach also schuldfähig. Sogar Frohsinn hat Zschäpe in ihrem Repertoire: wenn wegen unvorhergesehener Kleinigkeiten oder Pannen im Saal Heiterkeit ausbrach, lachte sie oft mit. Saß nennt das ‚emotionale Schwingungsfähigkeit‘.


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