NSU-Prozess


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75. Verhandlungstag, 16.1.2014 Ein "schwarzes Loch"

Vor sieben Jahren haben die NSU-Terroristen dem Polizisten Martin Arnold in den Kopf geschossen - doch er hat überlebt. An die Tat selbst kann er sich nicht erinnern. Doch er schildert eindrucksvoll seinen mühsamen Weg zurück ins Leben.

Von: Oliver Bendixen

Stand: 16.01.2014 | Archiv

Oliver Bendixen | Bild: Bayerischer Rundfunk

16 Januar

Donnerstag, 16. Januar 2014

"Diese Tat hat meinen Lebenstraum zerstört - meinen Traum als ganz normaler Polizist Streife zu fahren und unbeschwert mit den Menschen auf der Straße umgehen zu können". So schilderte Martin Arnold die Spätfolgen des Verbrechens, bei dem ihm von den NSU-Terroristen vor sieben Jahren mitten in Heilbronn eine Kugel in den Kopf geschossen wurde.

Arnold überlebt schwerverletzt

Michèle Kiesewetter

Er musste mehrfach operiert werden - ein Teil des Projektils steckt noch immer in seinem Kopf. Dass seine Streifenkollegin Michèle Kiesewetter noch am Tatort an den Folgen eines Kopfschusses gestorben war, hatte der heute zu 70 Prozent schwerbehinderte Beamte erst erfahren, als er zwei Monate nach der Tat aus dem Koma erwachte.

Eine Waffe kann er - wie er in seiner eindrucksvollen Aussage heute vor Gericht schilderte - nicht mehr in die Hand nehmen. Martin Arnold hat, als er gesundheitlich halbweges wiederhergestellt war - ein Studium absolviert und arbeitet heute im Innendienst.

Erst Migranten, dann Repräsentanten des Staates

Warum die NSU-Terroristen ihn und seine Kollegin in Visier nahmen, kann der 31-Jährige bis heute nicht verstehen. Wie soll man auch nachvollziehen, dass der NSU - wie die Bundesanwaltschaft sagt - damals einfach seine Strategie geändert hat. Nach Menschen mit Migrationshintergrund gerieten nun Repräsentaten des Rechtsstaates ins Visier der Terroristen - und damit auch Polizisten.

An die Tat selbst hat der Polizeibeamte keine Erinnerung mehr. Er spricht von einem "schwarzen Loch" in seinem Gedächtnis. Das letzte Bild in seinem Kopf ist die Fahrt auf den Parkplatz in Heilbronn. Dann komme erst einmal nichts. Martin Arnold wacht auf - in einem Bett auf der Intensivstation einer Klinik. Er hängt an zahreichen Schläuchen und Kalbeln und glaubt, dass sich seine Kollegen mit ihm einen blöden Scherz erlaubt hätten.

Der mühsame Weg zurück ins Leben

In Wahrheit überlebte er mit knapper Not und nur mit Hilfe der Rettungssanitäter und Ärzte einen furchtbaren Anschlag auf sein Leben. Es hat Monate gedauert bis er das Krankenhaus und die Rehaklinik verlassen konnte. Psychologen und Traumaspezialisten kümmern sich um ihn und helfen ihm, wieder mühsam ins Leben zurückzufinden.

Der heutige Tag, so sagt sein Anwalt, war ein guter Tag für Martin Arnold. Er muß es gespürt haben, mit welchem Interesse die Menschen im Saal 101 im Münchner Strafjustizzentrum ihm zugehört haben - und wohl auch, dass dem einen oder anderen Zuhörer die Tränen in den Augen standen.


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