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Skepsis wegen mehr Videoüberwachung "Wer soll denn draufgucken und helfen?"

Seit den Gewalttaten von München und Ansbach fordert Innenminister de Maizière mehr Videoüberwachung in der Öffentlichkeit. In Bayern gibt es Vorbehalte – von Offiziellen und Bürgern.

Von: Rudolf Erhard

Stand: 03.11.2016

Hinweisschild mit Kamerasymbol und der Aufschrift "Achtung! Videoüberwachung!" (Symbolbild) | Bild: picture-alliance/dpa/Martin Schutt

Weißt Du wieviel Kameras überwachen in dem großen Bayernland? Nein, so genau weiß das niemand. 17.800 öffentliche Videokameras wurden vor vier Jahren gezählt, ein Plus von über 50 Prozent seit 2008. Zahlen zum aktuellen Umfang der Videoüberwachung in Bayern gibt es aber nicht. Dafür die Überzeugung von Innenminister Joachim Herrmann (CSU): "Es ist sinnvoll, an speziellen Orten Videoüberwachung weiter auszubauen. Und die Menschen fühlen sich auch sicherer."

Die angesprochenen Menschen reagieren bei einer kurzen Straßenumfrage aber eher gespalten: Es gebe schon genug und halte niemanden von Straftaten ab, sagen die einen. Andere sind für einen Ausbau der Überwachung.

Thomas Kranig, dem Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht ist keine belastbare Studie bekannt, die belegen würde, dass Videoüberwachung Verbrechen verhindert hat.

"Diese Anschläge in Ansbach und München – ich hab erhebliche Zweifel, dass die verhindert werden. Ich kann mir vorstellen, dass sich solche Täter von der Videoüberwachung eher nicht abschrecken lassen."

Thomas Kranig, Präsident des bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht.

Sinnlos, wenn Personal fehlt

Dabei waren der Anschlag von Ansbach und das Attentat von München ja für Bundesinnenminister de Maizière augenscheinlich der Anlass, Erleichterungen für private Videoüberwachung im öffentlichen Raum zu fordern. In und um Einkaufszentren beispielsweise, bis hinaus auf die Parkplätze. Also mehr, als die bisher üblichen und erlaubten Videokameras zum Schutz vor Ladendiebstählen. Das macht wenig Sinn, hält Thomas Petri dagegen, Bayerns Landesbeauftragter für den Datenschutz.

"Stellen Sie sich einmal vor, Sie pflastern die ganzen öffentlichen Plätze zu mit Videoüberwachung. Wer soll denn draufgucken und helfen? Dann kann ich allenfalls danach Nachlese betreiben."

Thomas Petri, Bayerns Landesbeauftragter für den Datenschutz

Dauerüberwachung nur an drei Münchner Orten

Die Aufzeichnungen privater Überwachungskameras dürfen zur Verfolgung von Verstößen wie Ladendiebstählen, nur von einem innerbetrieblichen Datenschutzbeauftragten gesichtet werden. Ansonsten gibt es meist nach 48 Stunden eine Löschroutine. Bei Verbrechen oder Vandalismus bekommt die Polizei die Videoaufzeichnungen, berichtet Harald Pickert von der Einsatzleitung der Münchner Polizei: Wenn private Sicherheitsdienste involviert sind, könne man relativ schnell auf diese Daten zugreifen. Nur in Einzelfällen, wenn Ansprechpartner fehlten, vergehe Zeit und ein Zugriff sei erst später möglich.

Der Christkindlesmarkt in Nürnberg wird videoüberwacht

Dauerüberwachung, kontrolliert von Polizeibeamten an Bildschirmen, gibt es beispielsweise in München nur am Hauptbahnhof, am Stachus und am Sendlinger Tor. Es gibt in Bayern aber immer wieder anlassbezogene Videoüberwachung. Gegen Drogenschwerpunkte in Städten zum Beispiel. Aber auch das Oktober- wie das Gäubodenfest oder die vielbesuchten und deshalb für Banden interessanten Weihnachtsmärkte von München und Nürnberg gehören dazu.

"In solchen Bereichen ist Videoüberwachung zulässig, wenn es eingebunden ist in ein Sicherheitskonzept."

Thomas Petri, bayerischer Datenschutzbeauftragter

Neue europäische Verordnung

Die meisten U- und S-Bahnhöfe in Bayern werden mit so einem Sicherheitskonzept videoüberwacht. Bundesinnenminister de Maizières Pläne, im Bundesdatenschutz Genehmigungen für private Videoüberwachung im öffentlichen Raum zu erleichtern, haben sowieso nur eine kurze Halbwertszeit. Im Mai 2018 tritt die neue europäische Datenschutzverordnung in Kraft. Die gilt dann auch für die private, also nichtstaatliche Videoüberwachung im öffentlichen Raum.

Das wird unsere Genehmigungspraxis verändern, sagt Thomas Kranig, Chef des Landesamtes für Datenschutzaufsicht: "Dann haben wir eine allgemeine Abwägungsklausel. Ob die über oder unter dem momentanen Niveau ist, kann ich noch nicht sagen."


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Martin u., Freitag, 04.November 2016, 14:40 Uhr

16. Videokameras

Ob es letztendlich erfolreich sein wird, muß man abwarten. Grundsätzlich ist es ein legitimes Mittel der Vorbeugung.Was ich persönlich nicht nachvollziehen kann, ist die viel zu späte Öffentlichkeitsfahndung. Da werden Fotos von Straftätern oft Wochen später gezeigt, wenn diese schon längst über alle Berge sind und man selbst mögliche Beobachtungen garnicht mehr weiß. Hier sollte nachgelegt werden, denn wenn bildlich die Verfehlung zu sehen ist, bringt " Datenschutz " garnichts..

Lutz Schnelle, Freitag, 04.November 2016, 10:52 Uhr

15. Totale Kontrolle Arte-Doku

In den Basismedien - Fernsehen, Zeitungen, Rundfunk, Netz - schwärmen Journalisten oft vom extremsten Gegenteil dessen, was auf dem Büchermarkt und in der Sparte angemahnt wird. In den Sparten-Dokus sprechen Wissenschaftler, Politiker, Journalisten ganz offen vom totalitären Gefängnisstaat, der keine Rest-Privatheit mehr übrig lassen wird. Praktisch torpedieren die Basismedien den Rest von Freiheit und drängen die Gesellschaft direkt hinein in den Gefängnisstaat. Parolen wie "der digitale Wandel" werden als schicksalhaft empfangen und zum Fundament irrsinniger Forderungen nach noch mehr Breitbandinternet, Vollvernetzung des Lernstoffs an Schulen und Kameraüberwachung. Schon der Verweis des Nachrichtensprechers auf die eigene Internetadressen ist höchst manipulativ.
Im Gefängnis sind die Kameras ja wohl auf die Insassen gerichtet und nicht auf die Wärter. Unter dem Kamerauge wird der Bürger verdächtig und steht unter dem Druck der Beweispflicht seiner Unschuld.

Achmet , Donnerstag, 03.November 2016, 20:01 Uhr

14. Wer grabtscht, lacht sich bestimmt ins Fäustchen

weil die Gefängnisse überfüllt sind und die Justiz de facto kapitulieren muss. Gefilmt wird es auch noch! Deutschland wie es leibt und lebt.

  • Antwort von T.K., Freitag, 04.November, 14:19 Uhr

    Sie scheinen Erfahrungswerte zu haben, wie es sich liest.

Dr. Halef, Donnerstag, 03.November 2016, 18:36 Uhr

13. Frage

Dürfen die Nachbarn mit Pseudo-Edel-Laden eigentlich so eine Kamera auf den Gehweg vor dem Laden richten?
Da hängt nämlich seit neuestem ein großes gelbes Schild, das vor Videoüberwachung warnt.
Ich finde das frech!

  • Antwort von Lutz Schnelle, Freitag, 04.November, 10:53 Uhr

    In den USA ist das erlaubt, in Deutschland dürfen sie es nicht.

Hansi M., Donnerstag, 03.November 2016, 18:27 Uhr

12. Überwachung/ 2ter Versuch

Ich habe das Gefühl, der Artikel-Verfasser mochte meinen Beitrag nicht, und ich frage mich, warum.Vielleicht weil ich den Nutzen der Videoüberwachung auf die Kölner Silvesternacht bezogen habe, das hätte vielen Frauen geholfen.Oder weil ich erwähnt hatte, daß heutzutage der Mensch ohnehin gläsern ist und zwar selbstverschuldet durch Einkaufsgewohnheiten, oder seine Klicks und sein surfen im Internet. Warum also soll etwas schlecht sein, wenn Hemmschwellen möglicherweise dadurch mehr werden. Oder ist man nur dagegen, weil es in ist?

  • Antwort von Mike, Donnerstag, 03.November, 22:55 Uhr

    Zustimmung!

    Gib den Leuten ein Smartphone und eine App und du kannst denen die Unterhosen runterlassen. Das von Panorama aufgedeckte Browserspionage Thema ist eigentlich sehr alt. Neuer sind eigentlich die Verwertungsmöglichkeiten und der Verkauf der Daten.
    Schon vor 20 Jahren konnte man bei einschlägigen Adresshändlern Profildaten kaufen.