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Sanktionen gegen Russland EU setzt auf Dialog statt Strafen

Trotz der russischen Beteiligung an der Militäroffensive auf die nordsyrische Stadt Aleppo wird die EU ihre Sanktionen gegen Russland vorerst nicht verschärfen. Bei einem Treffen der EU-Außenminister heute in Luxemburg wurde klar, die Außenminister setzen weiter auf Verhandlungen.

Von: Kai Küstner

Stand: 17.10.2016

Der britische Außenminister Boris Johnson (2. v. l.) mit dem finnischen Außenminister Timo Soini (3. v. l.) | Bild: picture-alliance/dpa

Das Ziel ist aus Sicht der EU klar: Die Waffen in Aleppo müssen so schnell wie möglich schweigen. Das Grauen, das die eingekesselte syrische Zivilbevölkerung dort täglich erlebt, ist unerträglich – diese Einschätzung teilen alle Europäer. Nur bei der Frage, wie die Angriffe tatsächlich gestoppt werden können, gibt es unterschiedliche Ansichten: 

"Ich sehe zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, wie möglicherweise langfristig wirkende Sanktionen zur Verbesserung der Versorgung der Zivilbevölkerung beitragen. Deshalb bin ich nicht der einzige, der in diesem Fall bei Sanktionen eher skeptisch ist."

Frank-Walter Steinmeier, Bundesaußenminister

Deutschland skeptisch gegenüber Sanktionen

Zerstörung in Aleppo

Mit diesen Worten widersprach der deutsche Außenminister all jenen, die jetzt Strafmaßnahmen gegen Russland fordern. Steinmeier betont, die derzeit größte Chance bestehe darin, in unermüdlichen Gesprächen die Versorgung der in Aleppo eingeschlossenen Menschen mit Hilfsgütern zu sichern. Schweden hatte offen Sanktionen gegen Moskau gefordert, das den Vorstoß der Assad-Truppen in Aleppo mit Bombenangriffen unterstützt. Der französische Außenminister Ayrault will zumindest nichts ausschließen:

"Wir loten alle Optionen aus, größtmöglichen Druck auf das Assad-Regime aufrecht zu erhalten und auch auf alle seine Alliierten."

Jean-Marc Ayrault, französischer Außenminister

Russland auf "Pfad der Zerstörung"

Russland sei, so drückt es der Franzose aus, in Syrien gemeinsam mit dem Assad-Regime auf einem "Pfad der Zerstörung" unterwegs. Dessen britischer Kollege Boris Johnson fordert, man müsse den Druck aufrechterhalten auf Assad und die "Puppenspieler" wie Johnson sie nennt, aus Russland:  

"Die Lösung von allem, die Erlösung von Aleppo, liegt in der Hand des Assad-Regimes und vor allem von Russland. Es ist jetzt an ihnen, das zu stoppen und zur Vernunft zu kommen. Und ich rufe die Größe des russischen Volkes an, den Weg des Friedens zu wählen."

Boris Johnson, britischer Außenminister

Wenige Länder unterstützen Sanktionen

So Johnson, der anders als gestern beim Treffen mit dem US-Außenminister John Kerry, das Thema Russland-Sanktionen allerdings nicht erneut anschnitt. Sowohl Österreich als auch Luxemburg stellten klar, dass sie zu diesem Zeitpunkt wenig von Strafmaßnahmen gegen Moskau halten. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sieht nicht, wie die dazu beitragen könnten, um die "Hölle von Aleppo", so Asselborns Worte, zu stoppen:

"Wir als EU haben keinen Knopf, auf den wir drücken können, damit das aufhört. Wir sollten uns mit allen Mitteln und allen politischen Argumenten einbringen."

Jean Asselborn, Außenminister Luxemburg

Dass der Wille zu neuen Russland-Sanktionen im Büro der EU-Außenbeauftragten Mogherini nur schwach ausgeprägt war, ist seit Tagen bekannt. Man habe, stellte Mogherini nun auch offiziell klar, noch andere Werkzeuge im Kasten als Sanktionen:

"Kein Mitgliedsstaat hat das vorgeschlagen. Es ist ein Thema, das sehr stark in den Medien ist. Aber bei keinem unserer Treffen wurde es von einem Mitgliedsstaat gefordert."

Federica Mogherini, EU-Außenbeauftragte

Richtige Dosis aus Druck und Dialog

EU-Außenministertreffen in Luxemburg

Dass die EU also den wegen der Ukraine-Krise bestehenden Sanktionen noch welche draufsattelt, um Moskau zu einem Ende der Bombenangriffe in Aleppo zu bewegen, ist hochumstritten. Doch die Diskussion darüber, welche Dosis aus Druck und Dialog die richtige ist, wird weitergehen.

Und eins scheint auch klar: Eine mögliche Lockerung der bestehenden Sanktionen wegen der Ukraine-Krise jedenfalls, worüber man von EU-Seite kürzlich nachgedacht hatte, scheint angesichts des russischen Verhaltens in Syrien kaum möglich.


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