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Pisa-Zeugnisse Fortschritte - außer in Naturwissenschaften

Seit dem Schock von 2000 läuft vielen Politikern bei dem Wort "Pisa" ein kalter Schauer über den Rücken. Seitdem ist viel passiert, Schulreformen wurden angestoßen. Jetzt sind die neuesten Ergebnisse da.

Von: Laura Weingrill, Peter Kveton

Stand: 06.12.2016 |Bildnachweis

Schüler rauft sich die Haare vor Tafel mit Aufschrift "Pisa" | Bild: picture-alliance/dpa

Naturwissenschaften, Mathematik, Lesen, gemeinschaftliche Problemlösung und "Financial Literacy" , also finanzielle Allgemeinbildung. Das sind die Bereiche, in denen 2015 weltweit über eine halbe Million Schülerinnen und Schüler geprüft wurden. In Deutschland nahmen knapp 10.000 Schüler an dem über zweistündigen Test teil. Dabei ging es aber nicht nur um die Momentaufnahme des Wissensstandes deutscher Schüler und Schülerinnen. Genauso wollte man alltags- und berufsrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten repräsentativ für 28 Millionen 15-Jährige aus 72 Ländern erhalten.

Bessere Noten - außer in Naturwissenschaften

In vielen Bereichen konnten Verbesserungen verzeichnet oder die Standards des letzten Tests gehalten werden. Doch bei den Naturwissenschaften gibt es nur wenig Bewegung, sogar eine leichte Verschlechterung. Aber immerhin erreichen zwischen 10 und 15 Prozent aller Schülerinnen und Schüler mindestens die Kompetenzstufe 5 und gehören daher zu den "besonders leistungsstarken" Schülern. Damit liegen sie weit über dem OECD-Durchschnitt. Doch ein Problem bleibt. Noch immer gehen die Resultate von Jungen und Mädchen stark auseinander. Im OECD-Durchschnitt haben Jungen etwa in Mathematik einen Leistungsvorsprung von acht Punkten gegenüber Mädchen, ähnlich sieht es bei den Naturwissenschaften aus.

Soziale Herkunft ausschlaggebend

Ein weiteres Manko: Nach wie vor schneiden Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Naturwissenschaften deutlich schlechter ab als jene ohne. Grund dafür könnte etwa die Erhöhung des Anteils von im Ausland geborenen Schülern sein. Schlechtere Voraussetzungen haben auch jene Kinder, die aus sozial schlechter gestellten und bildungsfernen Familien stammen.

"Die soziale Schieflage bleibt die Achillesferse unseres Bildungssystems. Die Zahl der jungen Menschen ohne Schul- und Berufsabschluss ist bedrückend hoch."

Elke Hannack, stellvertretende DGB-Chefin

Deshalb müsse noch weiter an der Bildungspolitik gearbeitet werden. Aufgabe sei vorrangig, die weiterhin bestehende Kluft bei den Bildungschancen in Deutschland zu verkleinern. Ein Ziel, das Deutschland und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) teilen.

"Angesichts einer in vielen Ländern hohen Jugendarbeitslosigkeit, wachsender sozialer Ungleichheit, beträchtlicher geschlechtsspezifischer Ungleichheiten sowie der Notwendigkeit eines stärkeren und inklusiveren Wachstums gilt es keine Zeit zu verlieren. Die OECD steht bereit, die Politikverantwortlichen bei diesem schwierigen, äußerst wichtigen Unterfangen zu unterstützen."

José Ángel Gurría, OECD-Generalsekretär

Seit dem ersten Test 2000 konnte sich Deutschland immerhin stetig verbessern. Der "Pisa-Schock" wurde überwunden. Damit lagen die deutschen Schüler in allen Disziplinen bis zuletzt über dem OECD-Schnitt, so auch dieses Jahr.

Deutscher Lehrerverband warnt vor zu starkem Fokus auf PISA-Ergebnisse

Der Präsident des deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, sieht die Ergebnisse der jüngsten PISA-Studio zwar grundsätzlich positiv. Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk forderte er aber, auf einen Untersuchungszeitraum von sechs oder zehn Jahren umzusteigen. Auch wären Kraus innerdeutsche Bildungsvergleiche deutlich lieber als die vorliegenden internationalen.

Deutlich kritisiert hat der Lehrerverbandspräsident im BR, dass die Studie vieles außer Acht lässt. So würden zum Beispiel das sprachliche Ausdrücksvermögen, geographische oder geschichtliche Bildung nicht bei PISA untersucht.

"Hört auf, Schulbildung in Deutschland an PISA-Rankings, an PISA-Punkten zu orientieren. Da geht viel dabei hops."

Josef Kraus

Den sozialer Hintergrund in der Bildung ausgleichen

Für die Bildungspolitiker in Bayern sind die PISA-Ergbenisse kein Grund zur Sorge. Kultusminister Ludwig Spaenle gibt sich entspannt: Die Ergebnisse in den Naturwissenschaften und Mathematik seien im internationalen Vergleich stabil. Allerdings gebe es Herausforderungen, insbesondere was die digitale Lehre im Unterricht angehe:

"Wir sehen, dass wir Leistungsspitzen fördern müssen. Wir sind im Bereich Förderung Leistungsschwächerer gut vorangekommen. Und das Thema der sozialen Prägewirkung der Herkunft ist nach wie vor eines, das wir sehr ernst nehmen müssen."

Ludwig Spaenle

Der Grünen-Bildungsexperte Thomas Gehring sieht vor allem Defizite bei der Bildungsgerechtigkeit: Die sozialen Unterschiede der Schulkinder seien beim Übertritt nach der vierten Klasse noch nicht ausgeglichen. Er empfiehlt daher weiterhin den Ausbau von Ganztagsangeboten.

Für Michael Piazolo von den Freien Wählern steht nachhaltiges Lernen im Vordergrund: In einem neunjährigen Gymnasium könne länger geübt werden, damit das Gelernte sich auch setzen kann.







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Lars, Mittwoch, 07.Dezember 2016, 18:58 Uhr

11. Digitalisierung findet nicht statt...

Die Digitalisierung bietet unfassbar viele Möglichkeiten, die in einem modernen Bildungsumfeld mehr Raum einnehmen müssen! Es ist doch beispielsweise viel spannender digital in eine Lunge "einzutauchen" als ein Bild in einem Buch anzuschauen. Dieses Beispiel steht stellvertretend für alle Naturwissenschaften.
Hier zeigt sich dann, wie man Schüler abholen kann und mit Begeisterung in die Themen einführt und entwickelt. Beleuchtet man mal kritisch, wie viele Lehrer sich doch selbst vor diesen Medien scheuen bzw nicht nachhaltig anwenden (dafür kann es mehrere Gründe geben), kann man doch nicht wirklich damit rechnen, dass im Unterricht der "Funke überspringt". Wer den Trend der Digitalisierung nicht mit geht, wird zwangsläufig "durchgereicht".

Der Unterricht befindet sich methodisch sowie medial doch noch im Zeitalter 1.0. Wer hier "Großes" erwartet, kann nur enttäuscht werden. Schließlich starten wir unser KFZ doch auch nicht mehr mit einer Kurbel!

Achma, Dienstag, 06.Dezember 2016, 17:51 Uhr

10. Den Zusammenhang zwischen schlechten Pisaergebnissen

und Multikulti kann man nicht ganz wegdisktutieren.

hernan, Dienstag, 06.Dezember 2016, 17:22 Uhr

9. Bildungsungerechtigkeit- aber alle mitnehmen!

Als Familienvater mit mehreren Schulkinder (G8) kann ich nur sagen, dass es mich seit meinem eigenen Abitur gewaltig nervt, wenn seit Jahrzehnten
unter Bildungsgerechtigkeit verstanden wird, dass "alle Schüler mitgezogen" werden sollen. Wie soll das in einem Land mit so
heterogenen Schülern und vielen Migranten ohne Absenkung (!) eines Bildungsniveaus gehen? Jedem ist bekannt, dass ein Abitur in Bayern mehr taugt
als in Hessen oder gar in Berlin (=Bildungsungerechtigkeit !). Die Hochschulen klagen über das mangelhafte Niveau vieler Erstsemester. Aktuell kann selbst das BKA und die Polizei Stellen nicht mehr besetzen, weil Bewerber durch den Deutsch-Test fallen.
Irgendetwas läuft in Deutschland, dem ehemaligen Volk der Dichter und Denker, hier gewaltig schief.

  • Antwort von Amelia, Dienstag, 06.Dezember, 21:09 Uhr anzeigen

  • Antwort von Oliver S., Mittwoch, 07.Dezember, 09:18 Uhr anzeigen

Schorsch, Dienstag, 06.Dezember 2016, 16:33 Uhr

8. Bildungsgerechtigkeit

Es ist ein seltsames Verständnis von »Gerechtigkeit«, das die LinkInnen und GrünInnen hier wieder an den Tag legen. »Gerecht« bedeutet doch, daß sich um jeden Schüler gleichermaßen gekümmert wird und nicht ganz besonders um bestimmte, hier die hoffnungslosen Fälle.

Es ist im Interesse des Staats, die Leistungsträger und speziell in diesem Fall die zukünftigen Leistungsträger (und zukünftigen Steuerzahler) nicht zu benachteiligen. Es ist absurd zu meinen, daß man mit genug Aufwand jeden zur Hochschulreife bringen kann, auch wenn das bei entsprechendem Absenken des Lernniveaus natürlich möglich wäre. Das führt dann dazu, daß -- wie beispielsweise in Frankreich -- dieser Schulabschluß an Wert verliert und nicht mehr der Universitätsabschluß an sich zählt, sondern wo man ihn gemacht hat.

Aber bei den GrünInnen ist so was egal, die meisten von denen sind ja ohnehin an der Ausbildung gescheitert. Man denke nur an den taxifahrenden Ex-AußenministerIn und die abgebrochene Theolog*n.

Kritikfähig, Dienstag, 06.Dezember 2016, 14:53 Uhr

7. Pisa nein danke!

Nicht jedes Kind und nicht jeder Jugendliche möchte beschult und belernt werden. Auch das sollte und muß eine Gesellschaft ertragen. Zwang ist nie eine Lernbasis, wenn sie dauerhaft angewendet wird.
Was Pisa im Ergebnis für Vorteiteile bringt, kann ich nicht erkennen. Ich sehe die Fakten, eine führende Maschinenbauindustrie, eine führende Fahrzeugindustrie, eine fast einmalige hohe Hanwerkerqualität, eine Infrastruktur, die in der Summe immer noch Weltklasse ist u.v.m.
Und das alles haben Menschen in Deutschland erstaunlicherweise sogar ohne Pisa erschaffen, egal ob Sie Ingenieure sind, Meister, Hanwerker, Facharbeiter, angelernter Arbeiter usw.
Wir brauchen nicht Pisa, sondern weniger Apple und Co., damit unsere Kinder klare Denkstrukturen entwickeln, Zusammenhänge begreifen und das Gedächnis trainieren.
Pisa verändert das politische Handeln, sodass Fächer, wie Kunst, Sport, Haushaltslehre und vergleichbare vernachlässigt werden. Das schadet den Kinder, nicht nur körperlich.

  • Antwort von Kreuther, Dienstag, 06.Dezember, 17:12 Uhr anzeigen