Ermittlungsfehler bei der Belgischen Polizei Pleiten, Pech und Pannen nach den Terroranschlägen
Eine neue Panne der belgischen Polizei ist ans Licht gekommen: Der mutmaßliche Terrorist Salah Abdeslam soll mindestens zehn Mitglieder der Terrorgruppe "IS“ ins Land geschleust haben, so der belgische Sender VTM.
Der 26-jährige Franzose gilt als einer der Hauptverdächtigen der Anschläge von Paris vom 13. November letzten Jahres. Dabei wurden insgesamt 130 Menschen getötet. Salah Abdeslam, der im Brüsseler Stadtteil Molenbeek lebte und mittlerweile in Frankreich im Gefängnis sitzt, war auch Chauffeur für andere Terroristen.
Mit einem Mietwagen soll er Mitglieder des "IS" aus Griechenland, Ungarn und Deutschland nach Belgien gefahren haben. Die Terroristen seien gemeinsam mit Flüchtlingen aus Syrien nach Europa gekommen. Sechs von ihnen sollen an den Anschlägen von Paris gewesen sein, die anderen vier an den Brüsseler Attentaten vom März dieses Jahres, berichtet der belgische Sender VTM.
Kette von Fehlern
Zeichnet man die Arbeit der belgischen Behörden nach, wird eine Kette von Fehleinschätzungen und Versäumnissen sichtbar. Bereits im Sommer 2014 hatten die belgischen Geheimdienste Hinweise darauf, dass Salah Abdeslam gefährlich ist. Ermittler verhörten ihn Ende Februar 2015. Ein Gericht kam jedoch zu dem Ergebnis, der Franzose marokkanischer Abstammung sei "nicht bedrohlich". Es sei daher unnötig, ihn abzuhören.
Wenige Wochen später tauchte sein Name auf einer Liste potenzieller Dschihadisten des belgischen Terrorüberwachungsdienstes auf. Im Juni vergangenen Jahres wurden das Rathaus und das örtliche Polizeikommissariat von Molenbeek darüber informiert. Doch es passierte - nichts. Die Staatsanwaltschaft schloss den Fall. Ein Skandal.
Seit mindestens 20 Jahren gibt es, trotz aller Reformen, ein chronisches Problem bei Polizei und Justiz in Belgien, sagt Jean-Benoit Pilet, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Brüssel.
Polizisten sprechen nicht dieselbe Sprache
So gebe es in der Zusammenarbeit zwischen Justiz und Polizei Reibungsverluste. Darüber hinaus sei die Polizei zu kleinteilig organisiert. Hinzu kommen sprachliche Barrieren zwischen französisch und niederländisch. Das größte Problem sei aber die chronische Unterfinanzierung von Polizei und Justiz, so der Politikwissenschaftler Jean-Benoit Pilet.
Brisante Enthüllung
Vor wenigen Wochen kam ein brisanter Bericht ans Licht. Eine Untersuchung, die ein Kontrollgremium des belgischen Parlaments nach den Terroranschlägen von Paris erstellt hatte. Darin werden massive Versäumnisse der belgischen Polizei aufgelistet. Ermittler sollen im Vorfeld in mindestens 13 Fällen Fehler gemacht haben oder wichtigen Hinweisen nicht nachgegangen sein.
Nur die Hälfte der Fälle sei auf Personalmangel zurückzuführen. Danach sei zum Beispiel bekannt gewesen, dass sich der Salah Abdeslams Bruder Brahim, der sich später vor einer Pariser Brasserie in die Luft sprengte, Kontakt hatte zu dem mutmaßlichen Chef der Paris-Attentäter, Abdelhamid Abaaoud.
Trotz Erkenntnissen Anschläge nicht verhindert
Die Ermittler hatten laut dem Bericht auch Informationen über Bilal Hadfi, dem jüngsten Paris-Attentäter, gerade einmal 20 Jahre alt, der seinen Bombengürtel am Stade de France zündete. Beide waren Franzosen, die in Belgien lebten. Ermittler gehen seit längerem von engen Verbindungen zwischen den Anschlägen von Paris und Brüssel aus – verhindern konnten sie sie jedoch nicht.
"Die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz in Europa funktioniert nicht!"
Jean-Benoit Pilet, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Brüssel
Die Grenzen innerhalb Europas wurden abgeschafft, aber einen Zusammenschluss von grenzübergreifenden Polizeieinheiten gab es nicht, kritisiert Pilet.