NSU-Prozess


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177. Tag im NSU-Prozess Eine Woche voller schrecklicher Geschichten

Die Opfer des Nagelbombenanschlags in Köln 2004 kehren gedanklich noch einmal an den wohl schlimmsten Tag ihres Lebens zurück. Erleichterung bei den Einen, aufgerissene Wunden bei den Anderen. Von Julian von Löwis.

Von: Julian von Löwis

Stand: 21.01.2015 | Archiv

NSU-Nagelbombenanschlag in Koeln | Bild: Bayerischer Rundfunk

Fatma T. sitzt auf dem Zeugenstuhl im NSU Prozess und erzählt von jenem 9. Juni 2004. Sie arbeitet in einer Fahrschule direkt in der Keupstraße. Die Bombe explodierte nur wenige Meter von ihr entfernt, sie hatte ihren Schreibtisch direkt am Schaufenster. Sie blieb nahezu unversehrt, das linke Ohr war eine Weile taub doch das legte sich wieder. Weit schlimmer sind die seelischen Wunden. "Ab dem Tag der Vorladung zu diesem Prozess konnte ich immer weniger schlafen", erzählt die Zeugin. Erst jetzt habe sie gemerkt, dass sie das Geschehene bisher nur verdrängt aber noch nicht verarbeitet hat, "ich denke ich werde ab jetzt professionelle Hilfe in Anspruch nehmen", so die 52-Jährige. Aber nicht allen Opfern geht es so, bei einigen spürt man auch eine Art Erleichterung, dass sie die schrecklichen Erinnerungen nun endlich vor Gericht schildern konnten, so knapp oder ausführlich wie sie wollten.

Genug Zeit für die Geschichten der Opfer

Die Befürchtung, das Gericht lasse den Opfern, die zum Teil im 20 Minuten Takt geladen waren, nicht genügend Zeit ihre Erlebnisse zu schildern, hat sich in den vergangenen drei Prozesstagen nicht bewahrheitet, im Gegenteil! Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl zeigt in der Sache ein großes Interesse daran, jedem der damaligen Opfer den Raum zu bieten, den er oder sie braucht.

Ein pensionierter türkischer Offizier machte mit seinem Bruder gerade Urlaub in Deutschland und war am Tag der Explosion nur rein zufällig in der Keupstraße. Zu Beginn seiner Aussage heute holte der ältere Herr zunächst lange aus, erzählte etwas über seine Familiengeschichte und, dass er Deutschland wie eine zweite Heimat liebe. Beate Zschäpes Verteidiger Wolfgang Herr intervenierte und forderte den  Vorsitzenden auf den Zeugen doch bitte anzuhalten sich kürzer zu fassen. Götzl gab dem nicht nach, der 67 Jährige solle die Möglichkeit haben sich in seine Aussage einzugewöhnen.

Eine meterhohe, kugelartige Stichflamme

Es grenzt an ein Wunder, dass an diesem heißen Junitag in Köln niemand ums Leben kam, da so viele Menschen in der belebten Keupstraße draußen standen oder saßen. Ein Gutachter vom LKA präsentierte dem Gericht heute Videoaufnahmen in Superzeitlupe von Versuchssprengungen. Die Sprengstoffexperten bauten eine Bombe aus einer Gasflasche die mit Zimmermannsnägeln bestückt wurde, so wie die in der Keupstraße, und zündeten sie in einer speziellen Versuchsvorrichtung.

Auf den Videoaufnahmen sah man eine meterhohe, kugelförmige Stichflame, dann die enorme Druckwelle und schließlich hunderte von Nägeln die sich durch die Testvorrichtungen bohrten. In einem Radius von fünf Metern waren die Geschosse absolut tödlich, so das Fazit des Gutachters. Aber auch darüber hinaus hätte die Bombe durchaus Menschenleben kosten können.

Zumindest dies ist den mutmaßlichen Bombenbauern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt damals nicht geglückt.


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