NSU-Prozess


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413. Verhandlungstag, 28.2.2018 Wo ist die freundliche Empfangsdame?

Sie gehört zur angenehmen Seite des NSU-Prozesses: Tag für Tag steht sie an der Sicherheitsschleuse, sie ist eine Empfangsdame im besten Sinne. Fast fünf Jahre lang habe ich, wann immer ich als Berichterstatter im Münchner Strafjustiz-Zentrum den NSU-Prozess verfolgt habe, einen kleinen Plausch mit ihr gehalten. Jetzt ist sie schon den zweiten Tag in Folge nicht mehr da. Hat sie aufgehört, ist sie krank, wurde sie versetzt? Niemand weiß es.

Von: Eckhart Querner

Stand: 28.02.2018 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: Julia Meuller

28 Februar

Mittwoch, 28. Februar 2018

Uns Gerichtsreporter kennt sie alle namentlich. Wir kennen ihren Namen natürlich auch. Weil ich nicht weiß, ob es ihr recht ist, wenn sie ihren vollen Namen in diesem Tagebuch liest, nenne ich sie einfach Frau B. Also: Frau B. arbeitet an einer sicherheitsrelevanten Stelle im Gericht, dem Eingang zum Gerichtssaal A101. Hier findet seit Mai 2013 das NSU-Verfahren statt. Alle Journalisten und Besucher, die dorthin möchten, müssen kontrolliert werden wie am Flughafen. Alle kommen bei Frau B. vorbei. Vor ihr leeren wir unsere Hosentaschen, ziehen den Gürtel aus, legen alle Metallgegenstände, Laptop, Uhr und Handy in die blaue Plastikwanne. Dann fährt alles durch die Sicherheitsschleuse, wird durchleuchtet. Hinter der Schleuse warten Justizbeamte, die den Reporter abtasten.

Frau B. sorgt für den entspannten und geregelten Ablauf dieser unerlässlichen Prozedur. Und weil die Kontrollen so penibel sind, entstehen zum Glück Wartezeiten. Die nutze ich, um über den Stand der Dinge zu reden. Mit Frau B. natürlich. Ihr entgeht nichts. Soviel Anteilnahme und freundliche Begleitung meines Arbeitslebens habe ich selten erlebt: Wenn ich zwei Wochen keinen NSU-Prozess-Dienst hatte, fragt sie mich garantiert, wo ich denn in den vergangenen 14 Tagen war. Wenn ich am Vortag ein Gerichtsreportertagebuch geschrieben habe, spricht sie mich garantiert darauf an. Balsam auf die Seele des eitlen Reporters ist, wenn sie einen meiner Beiträge im BR-Fernsehen gesehen hat. Dann kommen wir darüber ins Gespräch. Sie immer mit ihrer angenehm fränkelnden Stimme. Frau B. ist eine der ganz treuen Zuschauer und Nutzerinnen des BR-Programms.

Vorübergehend mit anderen Aufgaben betraut

Seit gestern ist Frau B. weg. Eigentlich hätte der Vorsitzende Richter den Verhandlungstag absetzen müssen, für mich hat Frau B. den Rang einer Prozessbeteiligten, ohne die das Verfahren nicht stattfinden kann. Heute und gestern war es beim "Einchecken" entsprechend nicht so schön wie sonst: die Sicherheitskontrollen zwar streng wie üblich, aber die freundliche Atmosphäre, die Frau B. ausstrahlte, ist nun einem geschäftig-nüchternen Vorgang gewichen.

Ich hoffe, dass sie wiederkommt. Vielleicht hat sie nur die Grippe erwischt. Ich habe heute im Justizzentrum nachgefragt, was mit ihr ist. Nach einiger Zeit erhalte ich die erlösende Nachricht: Frau B. wurde vorübergehend mit anderen Aufgaben betraut. Sie kommt bestimmt wieder. Aber nicht, dass dann der Prozess schon vorbei ist.


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