NSU-Prozess


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372. Verhandlungstag, 11.7.2017 Schwere Schlappe für die Verteidigung

Das Münchner Oberlandesgericht hat den Gutachter Prof. Joachim Bauer für befangen erklärt. Der Psychiater hatte die Hauptangeklagte Beate Zschäpe vor allem als Opfer von Mundlos und Böhnhardt bezeichnet.

Von: Alf Meier

Stand: 11.07.2017 | Archiv

Alf Meier | Bild: BR

11 Juli

Dienstag, 11. Juli 2017

Es das erste Mal in dem seit über vier Jahren laufenden Prozess, dass einem Befangenheitsantrag stattgegeben wurde. Der Senat folgte dem Antrag mehrerer Nebenkläger. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl sagte, Bauer habe den Eindruck der Parteilichkeit nicht beseitigen können.

Bauer: "Zschäpe nicht voll schuldfähig"

Im Auftrag ihrer beiden Wahlverteidiger Mathias Grasel und Hermann Borchert hatte Joachim Bauer als Sachverständiger befunden, Zschäpe sei wegen einer krankhaften Persönlichkeitsstörung nur eingeschränkt schuldfähig. Bauer sieht in der Hauptangeklagten im NSU-Prozess ein mehr ein Opfer als eine Täterin. Zschäpe sei von Uwe Böhnhardt psychisch abhängig gewesen, dieser habe sie regelmäßig geschlagen und eventuell sogar sexuell missbraucht.

NSU-Verfahren als "Hexenverbrennung" bezeichnet

Zum Verhängnis wurde dem Freiburger Psychiater Bauer eine E-Mail an eine Mediengruppe. Darin bot er eine Exklusivgeschichte über Zschäpe und den NSU-Prozess an und bezeichnete das Verfahren und die Berichterstattung darüber als "Hexenverbrennung". Sein Gutachten würde einigen nicht passen, schrieb Bauer, der zuvor bereits durch den erfolglosen Versuch, Pralinen für Beate Zschäpe in das  Untersuchungsgefängnis zu schmuggeln, unangenehm aufgefallen war.

Nebenkläger: "Gutachter nimmt Angeklagte in Schutz"

Für einige Nebenkläger stand damit fest, dass Bauer nicht unparteilich ist, wie es das Gesetz von Sachverständigen fordert, sondern sich im Gegenteil auf die Seite der Angeklagten geschlagen hat und versucht sie in Schutz zu nehmen. So sah es heute auch das Gericht. Dadurch, dass Bauer das Verfahren als Hexenverbrennung bezeichnete, habe er deutlich gemacht, dass nach seiner Ansicht ein massiver Schuldspruch bereits feststehe, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl. Der Sachverständige Joachim Bauer wurde am Mittag für befangen erklärt.

Bauer wehrt sich

Nach der Entscheidung des Gerichts wies Bauer den Vorwurf der Befangenheit umgehend per Mail an mehrere Medien zurück. Er halte sein Gutachten nach wie vor für einen Beitrag mit erheblicher Verfahrensrelevanz, schrieb der Psychiater. Beate Zschäpe bringt diese Behauptung vermutlich nichts mehr.


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