NSU-Prozess


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316. Verhandlungstag, 13.10.2016 V-Mann oder nicht V-Mann?

Was ist eine Unterschrift wert? Bei Geschäftspartnern kann es um hohe Summen gehen, bei Testamenten um das Vermächtnis und bei Arbeitsverträgen um gegenseitige Verpflichtungen. Die Unterschrift ist ein wichtiger Bestandteil rechtsgültiger Verträge. Im NSU-Verfahren will nun ein Zeuge nicht sagen, ob er für den Verfassungsschutz gearbeitet hat. Doch er hat genau das offenbar unterschrieben.

Von: Mira Barthelmann

Stand: 13.10.2016 | Archiv

Mira Barthelmann | Bild: BR

13 Oktober

Donnerstag, 13. Oktober 2016

Gutachter gibt es für so gut wie alles - natürlich auch für den Vergleich von Handschriften. Ein solcher Sachverständiger des Landeskriminalamts (LKA) Bayern hat heute vor Gericht die Ergebnisse des von ihm vorgenommenen Unterschriftenvergleichs präsentiert. Der Szenezeuge Marcel D. hatte sich im Juli 2016 auf sein angebliches Zeugnisverweigerungsrecht berufen und keine Angaben dazu gemacht, ob er für den Thüringer Verfassungsschutz tätig war. Sein mutmaßlicher V-Mann-Führer berichtete das Gegenteil. Das pikante an der Angelegenheit: Es existiert ein Formular, in dem sich Marcel D. als V-Mann verpflichtet haben soll - mit Unterschrift. Daher die dringliche Frage: Hat er oder jemand anders unterschrieben?

39 Vergleichsunterschriften

Der grafologische Gutachter hat 39 Vergleichsunterschriften von Marcel D. aus den Jahren 2004 bis 2016 herangezogen. Die fragliche Unterschrift stammte aber aus dem Jahr 1999, was der Gutachter zwar bedauerte, aber als nicht entscheidend wertete. Im Gegenteil: Er ist davon überzeugt, mit Hilfe von älteren Vergleichsunterschriften seine Schlussfolgerungen sogar untermauern zu können.

Der Sachverständige ging dann buchstabenweise den Namen durch. Das "M" habe eine langen Anstrich, das "a" eine schleifenförmige Anformung. Das "l" sei zwar manchmal zwei Millimeter länger, das würde aber nicht ins Gewicht fallen. Bei den letzten drei Buchstaben des Nachnamens würde eine immer wiederkehrende Verschmelzung auftreten. Insgesamt hätten sich daher keine Merkmale finden lassen, die auf eine Fälschung der Unterschrift von Marcel D. hinwiesen. Mit anderen Worten: Die Unterschrift ist laut Gutachter echt.

Gegen den Zeugen läuft Ermittlungsverfahren

Fest steht: Der Zeuge Marcel D. wurde im NSU-Prozess als Zeuge bereits entlassen. Der Grund: Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I. Dieses Verfahren ruht zwar derzeit, kann aber jederzeit wieder aufgenommen werden. Daher hat der Zeuge - zumindest zum Zeitpunkt seiner Zeugenaussage im NSU-Verfahren - das Recht, die Aussage zu verweigern. Nun gibt es zwar ein positives, graphologisches Gutachten, das Marcel D. unterschrieben haben soll für das thüringische Landesamt für Verfassungsschutz angeworben worden zu sein, der Betroffene hat aber das Recht zu schweigen. Bleibt also die Frage: Was ist diese Unterschrift für das NSU-Verfahren dann noch wert?


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