NSU-Prozess


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311. Verhandlungstag, 21.9.2016 Post aus dem Knast

2013 schrieb Beate Zschäpe einen Brief an einen in Bielefeld inhaftierten Neonazi. Opferanwälte möchten, dass das Schriftstück im Prozess behandelt wird. Der Brief verdeutliche die Gefühle der Angeklagten.

Von: Alf Meier

Stand: 21.09.2016 | Archiv

Alf Meier | Bild: BR

21 September

Mittwoch, 21. September 2016

Schon in der letzten Prozesswoche wurde darum gestritten, ob Passagen aus dem Zschäpe-Brief in der Hauptverhandlung zitiert werden dürfen, heute nun erregte das Schriftstück erneut die Gemüter einiger Prozessbeteiligter.

"Reise durch den Wahnsinn"

Robin S. befand sich 2013 im offenen Vollzug in der Haftanstalt Bielefeld. Wegen räuberischer Erpressung war der Neonazi zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zu ihm schien die mutmaßliche Rechtsterroristin Zschäpe Vertrauen gefasst zu haben. In einem Brief an Robin S. bezeichnete die schon damals in Untersuchungshaft sitzende Angeklagte ihr bisheriges Leben als "eine Reise durch den Wahnsinn" sowie als eine "Reise durch Licht und Dunkelheit". Sie sei schon als Kind ungerecht behandelt worden, beschwerte sich Zschäpe und machte aber klar, dass sie niemanden, der ihr am Herzen liege, "im Dreck liegenlassen wolle".

Beweisbedeutung im Verfahren

Die Bundesanwaltschaft hat keine rechtlichen Bedenken zur Verwertung des Briefes in der Hauptverhandlung. Bundesanwältin Annett Greger sprach heute von einer mögliche Beweisbedeutung im Verfahren. Auch sei die Überwachung des Briefverkehrs in der JVA Bielefeld, infolge dessen das Schriftstück konfisziert worden war, geradezu geboten gewesen.

Stahl: "Ablichtung des Briefes vernichten"

Ganz anders sieht das Zschäpes Verteidigung. In einer langen Ausführung, die den neuen Verteidiger Manfred Grasel zeitweise blass aussehen ließ, erklärte Altverteidiger Wolfgang Stahl, dass Zschäpes Schreiben unter das grundgesetzlich festgeschriebenes Briefgeheimnis falle. Auch unter das Postgeheimnis nach dem Strafgesetzbuch. Und beim Inhalt handele es sich um Privatgeheimnisse, die auch noch strafrechtlich geschützt seiend. Die Ablichtung des Briefes sei ohnehin nicht rechtmäßig zu den Akten gelangt, und sei daher zu vernichten.

"Zschäpes Persönlichkeit aufhellen"

In der Hauptverhandlung hat Beate Zschäpe bislang geschwiegen. 311 Prozesstage lang. Fragen des Gerichts beantwortet sie nur schriftlich. In den Antworten versucht sie das Bild einer schwachen Frau zu zeichnen, die emotional von den Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt abhängig war, Taten nicht unterstützt, aber auch nicht verhindern hat. Die Verlesung des Briefes könnte dazu dienen Zschäpes Persönlichkeit weiter aufzuhellen, vielleicht sogar in ein anderes Licht zu stellen. Vielleicht kämpft die Verteidigung deswegen so vehement dagegen. Verlesung oder nicht? Am Ende entscheidet das Gericht.

 


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