NSU-Prozess


1

307. Verhandlungstag, 1.9.2016 Verwirrende Einblicke

Das Bundeskriminalamt. Eine Bundesbehörde. Das hört sich nach Ordnung und Gründlichkeit an. Ist das wirklich so? Der Zeuge heute hinterlässt daran große Zweifel.

Von: Mira Barthelmann

Stand: 01.09.2016 | Archiv

Mira Barthelmann | Bild: BR

01 September

Donnerstag, 01. September 2016

Nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 haben sich zahlreiche Untersuchungsausschüsse im Bundestag und in den Landtagen mit Unzulänglichkeiten und Schlampereien bei deutschen Sicherheitsbehörden beschäftigt. Dabei wurde das Augenmerk auf Ungereimtheiten bei Ermittlungen und beim Umgang mit V-Leuten in der aktiven Zeit des mutmaßlichen Trios gelegt. Zu Recht?

Der Zeuge hat seine Aussage gründlich vorbereitet

Oberlandesgericht München. Saal A101. Der 31-Jährige BKA-Beamte macht beim ersten Hinhören einen smarten Eindruck. Er kann sich gut ausdrücken, offenbar hat er sich auf seine Aussage gründlich vorbereitet. Ohne lange zu lamentieren erklärt er, was er zu ermitteln hatte und wie er dabei vorgegangen ist. Im Jahr 2013 hat der Mitangeklagte Carsten S. im NSU-Prozess ausgesagt, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt jemanden angeschossen hätten.

Kein einheitlicher Kriterienkatalog für Suche

Die Bundesanwaltschaft hat aufgrund dieser Aussage das Bundeskriminalamt damit beauftragt, ungeklärte Straftaten mit Schusswaffengebrauch entsprechend abzugleichen. Und zwar bundesweit. Das ist auch erfolgt. Allerdings hat das BKA den Landeskriminalämtern keinen einheitlichen Kriterienkatalog vorgelegt, auf den sie ihre Suche hätten stützen können. Nein, laut Aussage des zuständigen BKA-Beamten hat man die Findung der Abgleich-Kriterien den jeweiligen Ämtern überlassen.

So kam es beispielsweise dazu, dass sich die Kollegen aus Berlin darauf beschränkt haben, ausschließlich ungeklärte Morde an das BKA zurückzumelden – und nicht etwa auch unaufgeklärte Körperverletzungen. Eine Tatsache, die der Zeuge offenbar nicht weiter hinterfragt hat.

Meldung ungeklärter Taten

Dass nicht genauer geprüft wurde, verwundert. Allerdings war es nicht die erste Abfrage, nach ungeklärten Taten, die möglicherweise vom NSU begangen worden waren. Bereits nach Auffliegen der Terrorzelle hatte die Bundesanwaltschaft die Behörden dazu aufgerufen, ungeklärte Taten zu melden, die zum NSU passen könnten. Es gab mehrere tausend Rückmeldungen – nicht dabei war der Taschenlampen-Anschlag von Nürnberg. Er konnte dem NSU nur durch eine Aussage zugeordnet werden – und zwar auch ausgerechnet der des Mitangeklagten Carsten S.


1