NSU-Prozess


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294. Verhandlungstag, 5.7.2016 Knastgespräche

Wie ist es eigentlich, mit jemandem wie dem Ex-V-Mann Tino Brandt im Knast zu sitzen? Es ist eine Chance, an interessante Infos zu kommen. So zumindest beschrieb ein Zeuge heute sein Aufeinandertreffen mit einer ehemaligen Neonazi-Führungsfigur. Brandt war mit dem NSU-Trio in der Kameradschaft "Thüringer Heimatschutz" aktiv.

Von: Eva Frisch

Stand: 05.07.2016 | Archiv

Eva Frisch | Bild: Bayerischer Rundfunk

05 Juli

Dienstag, 05. Juli 2016

17. Juli 2014, Krankenstation, Jugendvollzugsanstalt Stadelheim: Sönke P. muss nach eigenen Angaben wegen "kleinerer Frechheiten" eine Haftstrafe absitzen, als ihm an diesem Tag im Juli ein Mithäftling in der Zelle gegenüber auffällt: Tino Brandt. Er habe den Neonazi sofort erkannt und angesprochen. Beim Hofgang hätten sich die beiden auf einen Mauervorsprung gesetzt und seien ins Plaudern gekommen. Brandt, der bald als Zeuge im NSU-Prozess aussagen sollte, habe viel erzählt und P. habe Fragen gestellt. Offene Gesprächskultur mitten im Knast.

"Wie ticken solche Leute wie Brandt?"

Tino Brandt

Brandt soll berichtet haben, wie er Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu der Neonazi-Organisation "Thüringer Heimatschutz" zurückholen wollte. Die aber hätten gesagt, sie hätten Wichtigeres zu tun. Frührentner P. wollte wissen, wie "solche Leute wie Brandt ticken". Also fragte er nach. Brandt soll geäußert haben, dass der NSU Recht gehabt hätte. Türkische Mitbürger habe der Neonazi als nach Knoblauch stinkende Salafisten bezeichnet. Das sei wirklich diffamierend und schlimm gewesen, erinnerte sich P.

Wahrheitsgehalt?

Dennoch blieb er an Brandt dran. Der erzählte von Treffen mit Beamten des Verfassungsschutzes, bei denen Geld in braunen Umschlägen übergeben wurde - von Böhnhardt, der anrief und um Geld bat. Oder davon, wie er als Kassenwart Geld des "Thüringer Heimatschutzes" für eigene Interessen oder den NSU verwendet haben will. Im NSU-Prozess sehe er im übrigen nicht mehr als eine "Faschingsveranstaltung", soll Brandt gesagt haben. Aus der Sicht von P. brisante Informationen, die der Ex-Mithäftling sofort notierte und später den Behörden übergab. Allerdings sagte der Zeuge vor Gericht selbst, man wisse ja nie wie der Wahrheitsgehalt solcher Knastgespräche sei. "Denn da ist jeder der noch größere Gangster."


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