NSU-Prozess


1

244. Verhandlungstag, 19.11.2015 Eine Frage der Strategie

Wird Beate Zschäpe ordnungsgemäß verteidigt? Erneut sorgte diese Frage im NSU-Prozess für Diskussionen und Verzögerungen. Zschäpes Alt-Anwälte verlangten, die Vernehmung eines Zeugen zu verschieben, weil sie nicht wüssten, welche Strategie ihre neuen Anwälte verfolgten.

Von: Alf Meier

Stand: 19.11.2015 | Archiv

Alf Meier | Bild: BR

19 November

Donnerstag, 19. November 2015

Ein Beamter des Bundeskriminalamtes sollte am Vormittag Spuren erläutern, die Ermittler auf mehren Zeitungsauschnitten gefunden hatten. Es handelte sich um Fingerabdrücke der Hauptangeklagten Beate Zschäpe auf Artikeln über die Tötung eines türkischen Ladenbesitzers und den dem NSU zugerechneten Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße. Verteidiger Andreas Lickleder, der heute in Vertretung für die Zschäpe-Anwältin Anja Sturm im Gerichtssaal saß, beantragte die Verschiebung der Vernehmung des BKA-Mannes, da Zschäpe derzeit nicht ordnungsgemäß verteidigt werde. Es könnten ihrer Mandantin Nachteile entstehen, weil die Alt-Anwälte nicht wüssten, welche Strategie Zschäpes neue Verteidiger verfolgen würden.

Tiefer Graben zwischen den Verteidigern

Zschäpe wird ja mittlerweile nicht mehr nur durch die Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm verteidigt, sondern auch durch die Münchner Anwälte Mathias Grasel und Hermann Borchert. Zwischen den alten und den neuen Verteidigern liegt ein tiefer Graben, sie sprechen sich offensichtlich nicht ab. In der letzten Woche haben die Alt-Anwälte um ihre Entlassung gebeten, weil eine Verteidigung "im Sinne der Interessen unserer Mandantin" nicht mehr möglich sei. Die drei Altverteidiger hatten erst durch die Medien erfahren, dass Zschäpe vor Gericht aussagen wolle. Sie selbst hatten ihrer Mandantin immer geraten zu schweigen. Die Aussage wird für Anfang Dezember erwartet

Klemke: Desolate Verteidigungssituation

Rechtsanwalt Grasel sagte heute, er und seine Mandantin hätten kein Problem mit der Einvernahme des BKA-Ermittlers. Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben, sah das anders. Die Verteidigung Wohllebens schloss sich dem Antrag von Heer, Stahl und Lickleder an. Die desolate Lage der Verteidigung von Frau Zschäpe sei ganz deutlich, sagte Klemke. Es gebe diametrale Verteidigungsansätze. Die Verwerfungen innerhalb der Verteidigung Zschäpes würden belegen, dass das Vertrauensverhältnis nachhaltig und endgültig zerrüttet sei. "Wir werden nicht müde werden, das zu betonen", so Klemke weiter.

Zschäpe selbst Schuld an Zerrüttung

Der Gericht unter Vorsitz von Manfred Götzl blieb unbeeindruckt. Am Ende konnte der BKA-Beamte seine Aussage machen, die Fingerabdrücke erläutern. Götzl ist genauso wie die Bundesanwaltschaft der Meinung, dass Zschäpes Verteidigung sehr wohl ausreichend sei. Ob er damit einen Revisionsgrund riskiert, wie Heer letzte Woche andeutete, ist äußerst fraglich. Schließlich hat die Angeklagte sich selbst in den Schlamassel manövriert. Sie war es, die ihren Alt-Aerteidigern das Vertrauen entzog.

Noch keine Entscheidung über Befangenheit

Über den Befangenheitsantrag des Angeklagten Wohlleben ist übrigens noch nicht entschieden worden. Eine Entscheidung ergeht vermutlich bis zum nächsten Dienstag. Auch der Entlassungsantrag von Heer, Stahl und Sturm hängt noch in der Luft.


1