NSU-Prozess


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NSU-Prozess: 230. Verhandlungstag Exkurs in die Gerichtsmedizin

Hochspannung im Gerichtssaal: Ein Experte für forensische DNA-Analyse legt zweifelfreie Beweise vor, das die Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 vom NSU getötet wurde.

Von: Eckhart Querner

Stand: 23.09.2015 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR

23 September

Mittwoch, 23. September 2015

Es ist im Gerichtssaal A 101 wie in einem vorklinischen Einführungskurs für Gerichtsmedizin. Zunächst stellt sich Carsten Proff vor: 42 Jahre alt, studierter Biologe, später Spezialist für forensische DNA-Analyse, seit 2011 Sachverständiger und DNA-Analytiker beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden. Dann stellt er seine Untersuchungsmethodik zur Spurensuche und –sicherung vor. Es geht um Abriebproben, Anhaftungen, DNA-Muster und dergleichen mehr.

Wie im vorklinischen Einführungskurs für Gerichtsmedizin

Ohne Frage: der Mann versteht etwas von seinem Fach. An diesem Tag stellt Proff den Prozessbeteiligten unzählige Gutachten und Untersuchungsberichte vor, in denen immer wieder vor allem ein Beweis geführt werden soll: an vielen im Brandschutt des Zwickauer Unterschlupfes von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gefundenen Gegenständen haften DNA-Spuren der genannten Personen an.

Trockene Materie

So geht es zum Beispiel um einen Impfpass, auf dem sich Anhaftungen finden, die mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit Beate Zschäpe zugeordnet werden können, oder "einer eineiigen Zwillingsschwester", so der Sachverständige. Aber die gibt es nicht. So reiht sich im Laufe des Tages Kontaktspur an Kontaktspur und Beweis an Beweis, auf diese Art lassen sich etwa Waffen zweifelsfrei den beiden NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zuordnen. Viele Punkte der Anklage stützen sich auf diese DNA-Analysen.

Zwischendurch fragt der Sachverständige nach Wasser – er hat viel geredet, und zugegeben, die Raumluft in Saal A 101 ist äußerst trocken, aber die Materie ist es auch.

Blutanhaftungen auf einer Trainingshose

Richtig spannend wird es erst, als es um eine Trainingshose geht, die nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt 2011 in der ausgebrannten Wohnung in Zwickau gefunden wird. Auf dieser Hose stellen die Forensiker des Bundeskriminalamts blutähnliche Anhaftungen fest. Die Blutstropfen stammen von Michèle Kiesewetter, der viereinhalb Jahre zuvor in Heilbronn mit einem gezielten Kopfschuss getöteten Polizeibeamtin. In diesem Mordfall tappten die Fahnder lange Zeit im Dunkeln, ermittelten in die falsche Richtung. Nun aber gilt nicht nur über die verwendeten und später wiedergefundenen Mordwaffen, sondern eben auch über die DNA-Analyse der Blutanhaftungen als sicher, dass Böhnhardt und Mundlos die Polizistin erschossen haben. 

Besonders stark und überzeugend wird die Analyse, weil die Wiesbadener Kriminaltechniker auf der Jogginghose auch genetische Spuren von Mundlos und Böhnhardt fanden. Damit ist wohl zweifelsfrei sicher, dass Kiesewetter das zehnte und letzte Mordopfer des NSU wurde. Verschwörungstheoretiker haben das immer wieder angezweifelt.


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