NSU-Prozess


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157. Verhandlungstag, 11.11.2014 Der König der Vermerke

Bei der erneuten Befragung eines Ex-V-Mann-Führers wurde auch deutlich: Bürokratischer Tunnelblick behinderte die Fahndung nach dem Neonazi-Trio.

Stand: 11.11.2014 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR

11 November

Dienstag, 11. November 2014

Norbert W. kam zum mittlerweile dritten Mal als Zeuge in den Münchner Gerichtssaal, und bei dieser Befragung wurde klar, welche enorme Bedeutung Vermerke im Berufsleben des ehemaligen Verfassungsschützers spielten. 1998 übernahm der Beamte des thüringischen Landesamtes zum zweiten Mal die Führung des V-Manns "Otto". Unter diesem Decknamen führte das Landesamt damals seine, nach eigener Einschätzung, wichtigste Quelle – den Neonazi-Anführer Tino Brandt.

Viele Vermerke, keine Nachfragen

Teils mehrmals pro Woche traf der Verfassungsschützer W. also die Quelle Brandt. Der Neonazi erzählte, und Norbert W. schrieb. So entstanden zahllose Vermerke, die nun in der Verhandlung durchgegangen wurden. Als Zuhörer hatte man oft das Gefühl, bei dieser oder jener Angabe des V-Manns hätte man gerne mehr gewusst. Das ging einigen Prozessbeteiligten offenbar ebenso. Ob er denn zu einem bestimmten Sachverhalt nachgefragt habe, wollte eine Opferanwältin vom Zeugen W. wissen. "Wenn ich nachgefragt hätte, wäre diese Nachfrage in dem Vermerk enthalten", antwortete der ehemalige V-Mann-Führer. Im Vermerk fand sich aber keine Nachfrage. Kein Einzelfall. Nachzufragen war offenbar nicht im Interesse des V-Mann-Führers. Er schrieb Vermerke und gab sie weiter. Und das Neonazi-Trio lebte unentdeckt im Untergrund. Tino Brandt hat als Zeuge im NSU-Prozess übrigens ausgesagt, dem Verfassungsschutz nie Informationen über die rechtsextreme Szene gegeben zu haben, die nicht sowieso schon bekannt oder die für die Neonazis ungefährlich waren.


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