NSU-Prozess


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65. Verhandlungstag Wie geht es Beate Zschäpe?

Eine Frage, die uns Journalisten besonders zu Beginn des Prozesses oft gestellt wurde. (Und die wir, angewiesen auf den Augenschein, nicht wirklich beantworten konnten). Am Ende dieses 65. Verhandlungstages gibt es völlig unerwartet eine fundierte Auskunft. Vom Landgerichtsarzt im Zeugenstand.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 05.12.2013 | Archiv

Christoph Arnowski | Bild: Bayerischer Rundfunk

05 Dezember

Donnerstag, 05. Dezember 2013

Immer neue Anträge, die beraten werden müssen. Der Prozess kommt nicht voran. Das ermüdet nicht nur Medienvertreter und Besucher. Nach 16 Uhr lässt die Hauptangeklagte über ihre Verteidiger mitteilen, dass sie sich nicht mehr konzentrieren könne. Richter Manfred Götzl will sich die Verhandlungsführung nicht aus der Hand nehmen lassen. Er ordnet adhoc eine ärztliche Untersuchung an.

Niedriger Blutdruck

Der Sachverständige berichtet daraufhin von einem Puls von 80, Blutdruckwerten, die etwas zu niedrig sind. Zschäpe sei "bewusstseinsklar". Ihr Denken bewertet der Mediziner als geordnet. Sicher sei sie einer Stress- und Belastungssituation ausgesetzt, die gesundheitlichen Basiswerte aber hält er für gut. 30 weitere Minuten Verhandlung seien aus seiner Sicht vertretbar. Darüber wird dann von den Prozessbeteiligten mehr als 30 Minuten diskutiert, der dubiose Ex-Verfassungsschützer muss ein anderes Mal befragt werden.  

V-Mann im Kreuzverhör

Am Morgen hatten die Anwälte aus dem Lager der Nebenkläger  den V-Mann Benjamin G. regelrecht ins Kreuzverhör genommen. Benjamin G. entspricht ganz dem Klischee, dass man von einem V-Mann in der rechten Szene hat. Wofür, so frage ich mich, wurde er eigentlich vom Staat bezahlt. An fast nichts kann er sich erinnern,  stattdessen betont er immer wieder, dass er reichlich getrunken habe. Waren seine Angaben als V-Mann damals eben so wenig glaubhaft wie seine Aussagen als Zeuge heute?

Befangenheitsantrag gegen Götzl

Die Befragung zieht sich, einzige neue Erkenntnis bis zur Mittagspause: Benjamin G. hat in früheren Zeiten auch für den militärischen Abschirmdienst MAD gearbeitet. Ein Vorhalt, den eine Nebenklageanwältin  machen will, bringt dann den Prozesstag fast zum Stillstand. Sie will aus den Ermittlungsakten zitieren, die das Gericht trotz mehrerer Anträge nicht beigezogen hat, die aber alle Prozessbeteiligten bei der Bundesanwaltschaft einsehen konnten.

Richter Götzl will das zulassen, Wohlleben-Verteidiger Olaf Klemke nutzt dies für einen Befangenheitsantrag. Weil Götzl solche Vorhalte im bisherigen Verfahren nicht erlaubt habe, sei die Zulassung heute willkürlich, es drohe eine "Verzerrung bei der Wahrheitsfindung". Erneute Unterbrechung. Die Beratungspausen und Stellungnahmen zu den Anträgen haben heute viel länger gedauert als die Zeugenvernehmung. In der Sache ist man keinen Schritt weiter gekommen, aber immerhin weiß man jetzt, dass Beate Zschäpe wohl unter "Spannungskopfschmerz" leidet.

Christoph Arnowski arbeitet für die Rundschau des Bayerischen Fernsehens. Als Reporter hat er in den letzten 15 Jahren zahlreiche wichtige Strafprozesse in Bayern begleitet.


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