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Einblicke in die Hooligan-Szene Droge Gewalt

Hooligans: Schlägereien, Pyrotechnik und Gewalt im Stadion - mit Fußball hat das nichts zu tun. Die meisten Prügeleien finden aber abseits der Spiele statt. Wie tickt die Szene? BR24 hat mit zwei Nürnberger Hooligans gesprochen.

Von: Jonas Miller

Stand: 19.04.2017 | Archiv |Bildnachweis

Symbolbild: Nürnberger Fans zünden Feuerwerkskörper und Rauchbomben im Fanblock | Bild: picture-alliance/dpa/Sven Simon

2012 zählte die Polizei 400 Hooligans beim 1. FC Nürnberg, sie rangieren damit auf Platz sieben der größten Hooligan-Szenen Deutschlands. Hooligans - das sind "Fußballfans", deren größtes Interesse nicht dem Spiel auf dem Platz, sondern gewalttätigen Auseinandersetzungen gilt.

Akribische Vorbereitungen

Die meisten Prügelein finden abseits der Öffentlichkeit statt, im und ums Stadion herum kommt es kaum zu Auseinandersetzungen. Zu hoch sind die Sicherheitsvorkehrungen. Bevor es zu einer Prügelei kommt, im Szenesprech auch "Match" genannt, braucht es eine gewisse Vorlaufzeit. Die Gewalt will geplant sein.

"Die Vorbereitungen erstrecken sich über Wochen, das Ganze muss irgendwie organisiert werden. Leute müssen losfahren und einen Platz auf halber Strecke suchen. Am selben Tag stehst du um 5 Uhr morgens auf, fährst 600 Kilometer und kommst dann beim Treffpunkt an. Da steht dann einer von deinen Gegnern, der bringt dich auf den Platz, derjenige von uns, der das Sagen hat, geht dann rüber und schaut sich das Heimteam an."

Nürnberger Hooligan

Nürnberger und Fürther Hooligans prügeln sich am Rande eines U19 Derbys in Fürth.

Zuvor wird telefonisch die Größe der jeweiligen Gruppe abgesprochen und eine T-Shirt Farbe bestimmt. Schließlich sollen nicht aus Versehen die Falschen verprügelt werden. Jede Hooligan-Gruppe hat ihre eigene Farbe. Bewaffnungen sind bei verabredeten Prügeleien eigentlich nicht erlaubt. Zum Standardrepertoire gehören aber Bandagen sowie Mund- und Tiefschutz.

Der ultimative Kick

Das Gefühl vor einer Hauerei, wie die Schlägereien noch genannt werden, ist bei allen Beteiligten gemischt. Gewalt als Droge. Worte eines Süchtigen:

"Dir  hängt der Magen voll durch und ein bisschen Angst ist dabei. Die Nervosität steigt, du hast einen krassen Adrenalinkick. Wenn man dann weiß, 20 gegen 20 ist ausgemacht, das geben dir keine Drogen, das gibt dir keine Frau. Das Gefühl ist schwer beschreibbar, du kämpfst mit deinem Körper, mit deinen Leuten für Nürnberg. Nach zwei Minuten ist dann alles vorbei."

Nürnberger Hooligan

Skurrile Situationen im Krankenhaus

Auf freiem Feld: Dänische Hooligans gehen aufeinander los.

Von wirklich gefährlichen Verletzungen erzählen die Hooligans im BR24-Gespräch nichts. Man wolle die Gegner ja nicht schwer verletzen, behaupten sie. Es gehe darum zu zeigen, welche Truppe sich am besten prügeln kann. Trotzdem gibt es Knochenbrüche und andere Verletzungen, die nicht selten im Krankenhaus enden und zu skurrilen Situationen in der Notaufnahme führen.

"Wenn du verloren hast, warst du die Nummer fünf in der Notaufnahme und der Arzt fragte dich dann: 'Lassen Sie mich raten, Sie sind auch die Treppe runter gefallen'. Das Problem war dann, dass zwei von uns wegen Kieferschmerzen den Mundschutz gar nicht mehr aus dem Mund bekommen haben, weil alles verschoben war. Es kommen fünf Leute, alle mit dem gleichen Shirt, Bandagen, alle voller Blut und gehen ins Krankenhaus und lassen sich da irgendwie so notdürftig versorgen, dass sie heimfahren können."

Nürnberger Hooligan

Jogger als Zaungäste

Damit die Hooligans bei den ausgemachten Prügeleien nicht gestört werden, suchen sie im Vorfeld meist abgelegene Plätze, oft in Waldstücken oder auf Parkplätzen. In der Stadt sei die Gefahr zu groß, von Polizisten bemerkt zu werden und eine Anzeige zu riskieren.

"Die Bullen kommen dann, nehmen 50 Leute fest, alle haben Verletzungen und dann gibt’s halt 50 Mal Landfriedensbruch, und 50 Leute sagen nichts dazu. Und dann wird es eingestellt, was wollen sie denn machen. Und in der Stadt ist die Gefahr, dass das einer mit dem Handy filmt. Auf den Videos ist dann vielleicht sichtbar, wie du dem einen die Nase gebrochen, oder dem anderen die Fresse eingeschlagen hast und dann kannst du für die einzelne Tat belangt werden. Deswegen ist ein Acker schon schön, weil da ist halt außer einem Jogger oder einem Reiter niemand vorbei kommt."

Nürnberger Hooligan

Nach rechts hin offen

Der Begriff Hooligan wird oft mit dumpfen rechten Schlägern assoziiert. Tatsächlich sind viele Hooligan-Gruppen in Deutschland rechtsextrem oder stehen Extremisten offen gegenüber. Das sagen auch unsere Gesprächspartner. Auch in der Nürnberger Szene, die sich seit den 1980er Jahren vornehmlich um die Gruppe "Red Devils Nürnberg" sammelte, waren Angehörige der rechtsextremen Szene aktiv.

Nicht zuletzt wurde die rassistische "English Defense League" von rechtsextremen Hooligans gegründet. In Deutschland sorgten vor einiger Zeit die "Hooligans gegen Salafisten" (Hogesa) für Schlagzeilen. Obwohl die Hogesa-Abspaltung "Gemeinsam stark e.V." ihren Vereinssitz in Nürnberg hat, war die Gruppe den alteingesessenen Nürnberger Hooligans nicht bekannt.

"Die Typen kannte keiner. Da gab‘s irgendwann Leute, die aber nicht mal halbwegs bekannt waren, also weder bei der [Hooligan-Gruppe] Seerose oder den Red Devils oder überhaupt im Hool-Umfeld. Das waren einfach Trottel, die islamophob sind und da was machen wollten. Das waren keine Nürnberger Hooligans."

Nürnberger Hooligan

"Das macht mir Angst"

Dass sich rechte Funktionäre und Hooligans mittlerweile auch in den Stadien breit machen, sorgt für Unmut. Nicht zuletzt soll es deshalb auch zu Zerwürfnissen in einzelnen Gruppen gekommen sein.

"Mittlerweile geht es oft nicht mehr um Fußball, um die Hauerei, sondern um Politik. Und da versuchen Neonazis wirklich in vielen Szenen Fuß zu fassen. Das macht mir Angst, das ist gefährlich."

Nürnberger Hooligan

Eine solchen Idelogisierung hat in der Vergangenheit auch dazu geführt, dass sich einige Hooligans nicht mehr mit anderen Gruppen prügeln wollten.







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Rumplhanni, Mittwoch, 19.April 2017, 21:51 Uhr

4. Die Demo „Hooligans gegen Salafisten“ fand, soweit ich mich erinnere statt,

nachdem die Salafisten Vogel/ Lau&Co wieder einmal ihre „tapferen“ Scharia-Späßchen abzogen. Als sich immer mehr TN anmeldeten, manche scheinbar sogar FB beitraten, irgendwann: „Meine Mama kocht auch für 500“ So ein Kind, kann nicht „schlecht“ sein, ist einfach froh, dass endlich jemand aufsteht, der auch einmal für seine Belange einsteht. Pauschal klingt das geschönt, was man damit natürlich nicht meint. Damals war ein Verbot dieser Demo im Gespräch, aufgerufen zur Gegendemo, wie aktuell vorrangig politisch Rot-Rot-Grün(?), sogar Kirchen, wie so oft solidarisch mit Roten Antifas. Wenn sich Gleichberechtigte beschimpfen, anschreien, „mit Dreck bewerfen“ ist mir das egal, aber Salafisten&Co scheinen bei manchen „Verständigen“ unter besonderem Schutz zu stehen.

Ein NPD-Verbot fände ich richtig, aber wie locker doch das Wort „Nazi“, „braune Soße“, „rechtspopulistisch“ gegen Andersdenkende sitzt, und eben bei WEM, finde ich langsam bedenklich! Rot-Rot-Grün(?) wähle ICH sicher nicht!

Barbara, Mittwoch, 19.April 2017, 15:10 Uhr

3. Es sind leider Gottes immer nur die Männer, die Gewalt ausüben.

Da hat sich im Laufe der Geschichte nichts geändert! Auch die Kriegstreiber waren immer nur die Männer!

  • Antwort von Klaus Grämer, Mittwoch, 19.April, 16:05 Uhr anzeigen

  • Antwort von B. Sachse, Mittwoch, 19.April, 19:35 Uhr anzeigen

  • Antwort von Olaf, Mittwoch, 19.April, 19:48 Uhr anzeigen

  • Antwort von Leonia, Donnerstag, 20.April, 08:58 Uhr anzeigen

Pepe, Mittwoch, 19.April 2017, 11:05 Uhr

2. Hooligans

auch früher hat man sich am Dorffussballplatz "gekloppt". Jedoch nicht so mit einer erschfreckenden Tötungsabsicht. Fussball ist ein rohes Ereignis geworden. Pfui schämt euch

  • Antwort von Rumplhanni, Mittwoch, 19.April, 22:02 Uhr anzeigen

Harald, Mittwoch, 19.April 2017, 10:31 Uhr

1. Jedem Tierchen sein Pläsierchen ...

... heißt ein alter Spruch aus Opa's Zeiten.
Mir sind Schlägertrupps abseits öffentlicher Plätze wie Stadion etc. wesentlich lieber, als Typen mit Bengalos im Stadion. Völlig daneben sind solche solche, die auf "normale" Fußballfans losgehen, nur weil die vom anderen Verein sind.
Früher hat man sich beim Wirt auf eine zünftige Rauferei gefreut. Heute sind es eben abgesprochene Schlägereien. Mei, wenn sich die Leute gerne selber die Köpfe einschlagen, solln sie es halt tun. Wichtig ist, dass es nicht auf Kosten der Allgemeinheit geht (Heilungskosten, etc.) und dass nur die "Freiwilligen" davon betroffen sind.

  • Antwort von highwayfloh, Mittwoch, 19.April, 20:04 Uhr anzeigen

  • Antwort von Leonia, Donnerstag, 20.April, 09:02 Uhr anzeigen