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Landtag Ein Gesetz, das entzweit

Bei der heutigen offiziellen Anhörung des Sozial- und Verfassungsausschusses im Bayerischen Landtag hagelte es von vielen Seiten Kritik am geplanten bayerischen Integrationsgesetz. Insbesondere der von der CSU forcierte Begriff der "Leitkultur" wurde als ungeeignet abgelehnt.

Von: Rudolf Erhard

Stand: 29.09.2016

Schriftzug auf Schultafel | Bild: picture-alliance/dpa

Der Konferenzsaal im Landtag platzte aus allen Nähten. Viele wollten Konkreteres hören zu der seit Wochen verbreiteten Kritik von Verbänden wie Kirchen am geplanten Integrationsgesetz der CSU-Staatsregierung. Der Erlanger Religionsphilosoph Prof. Andreas Funke wurde gleich deutlich:

"Ganz kurz gesagt, baut das Integrationsgesetz des Freistaates eine Drohkulisse auf. Das Bild, das erzeugt wird, ist das einer Überfremdung, die dem Freistaat droht, und dieser Überfremdung gilt es, mit gewissen Mechanismen zu begegnen, fördern und fordern."

Prof. Andreas Funke, Universität Erlangen

Das stößt uns vor den Kopf berichtete die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bayerischer Migranten- und Integrationsbeiräte, Mitra Sharifi-Neystanak. Gegenüber Flüchtlingen stehe der Vorwurf im Raum:

"Die müssten zur Integration gezwungen werden. Das ist nicht die Erfahrung, die wir im Alltag machen."

Mitra Sharifi-Neystanak, Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns

"Leitkultur" lenkt vom Wesentichen ab

Es gebe nur vereinzelt Integrationsverweigerer. Der Begriff einer Leitkultur für die Integration von Flüchtlingen lenke vom Wesentlichen ab, wurde Rainer Öchslen deutlich, Vertreter der evangelischen Landeskirche für Dialog und Islamfragen:

"Die Leitkultur lenkt ab von der eigentlichen Frage der Akzeptanz und Bejahung einer verbindlichen und in Gesetzesform ausformulierten Rechtsordnung."

Rainer Öchslen, Beauftragter für den interreligiösen Dialog und Islamfragen der Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern

Auch Prälat Lorenz Wolf vom Katholischen Büro Bayern meldete sich kritisch zu Wort.

Er schwärmte von dem  auch von Deutschland unterzeichneten UNESCO-Übereinkommen, das die kulturelle Vielfalt als Erbe und Nutzen achten und erhalten soll.

Er bezweifelte, ob das der CSU-Begriff einer Leitkultur bei der Flüchtlingsintegration abdecke.

"Und deswegen plädiere ich so stark dafür, da mal genau hinzuschauen, was meinen wir und das erfordert eine Definition, die nicht in die Präambel gehört, sondern meines Erachtens ins Gesetz."

Prälat Lorenz Wolf, Katholisches Büro Bayern

Geplantes Integrationsgesetz muss verändert werden

Da müsste aber im geplanten Integrationsgesetz der bayerischen Staatsregierung einiges verändert werden, mahnte Tobias Mähner vom Diakonischen Werk Bayern. Denn:

"Das Gesetz zielt erkennbar nicht in erster Linie auf die Förderung der Integration und der gleichberechtigten Teilhabe von Migrantinnen und Migranten ab, sondern mehr auf die Einführung einer Reihe von neuen Sanktionen für diesen Personenkreis."

Tobias Mähner, Diakonisches Werk Bayern

Es genüge doch, statt neuer Integrationsvorschriften, der Verweis auf das Grundgesetz und die hochgelobte Bayerische Verfassung, wünschte sich für die bayerischen Migranten- und Integrationsbeiräte Mitra Sharifi Neystanak:

"Für mich sind viele Werte, die in diesem Land und in dieser Gesellschaft gelebt werden, das sind Menschenrechte. Da muss man nicht immer ein Eigentum drauf kleben und sagen: wenn Du reinkommst, musst Du Dich daran anpassen, sonst geht das nicht."

Mitra Sharifi Neystanak

Warnung vor unkoordinierten Integrationsaktivitäten

Integration werde in den Kommunen gelebt, so CSU-Landrat Gerhard Wägemann aus Weißenburg-Gunzenhausen. Er warnte vor unkoordinierten Integrationsaktivitäten vor Ort:

"Aufpassen, dass hier sowohl die betroffenen Flüchtlinge und Migranten, wie auch die Ehrenamtlichen, nicht den Überblick verlieren."

Gerhard Wägemann, CSU-Landrat Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen

Für die im Integrationsgesetz vorgeschriebene Schul-, Aus- und Weiterbildung von Migranten fehle zudem eine verbindliche Finanzierung, z.B. für zusätzliche Kindergärten und Schulen, kritisierte Bürgermeister Thomas Zwingel aus Zirndorf:

"Wo wir ja vielleicht auch noch staatliche Bauzuschüsse bekommen, aber was letztlich die Betriebskosten anbelangt, enorm aufstocken müssen."

Thomas Zwingel (SPD), Bürgermeister Zirndorf

Veränderte Stimmung gegenüber Flüchtlingen

Für die bayerischen Lehrerinnen und Lehrer berichtete deren Präsidentin Simone Fleischmann dann über die veränderte Stimmung im Lande gegen die Flüchtlinge und machte deutlich:

"Dass die Umgangsformen in der Gesellschaft sich verändern. Verbale Aggressivität, die Sprache des Hasses, der Geringschätzung und der Diskriminierung sorgen für eine Verrohung des Umgangs miteinander."

Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband


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