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Hörgeräteakustiker/-in Das Ohr zur Welt

Kunden beraten, ihr Gehör testen und schließlich die Hörgeräte anpassen - das sind die Ausbildungsschwerpunkte dieses Berufes. Hörgeräte helfen Schwerhörigen wieder am Leben teilzunehmen.

Stand: 03.12.2019

Carlo Schwesinger, 73, ist schwerhörig. Sein Gehör wurde im Laufe der letzten Jahre immer schlechter. Ein richtiges Handicap. Er verstand nicht mehr, was man ihm sagte. Er konnte kein Konzert mehr genießen. Und er saß im Freundeskreis dabei, ohne an den Gesprächen teilnehmen zu können. Das ist vorbei. Sabine Weber, Hörgeräteakustikerin im dritten Lehrjahr, half ihm, die richtigen Hörhilfen zu finden. Mit speziell für ihn angefertigten und genau auf ihn eingestellten Hörgeräten fühlt der Rentner sich nun wieder vollwertig. Er nimmt wieder alle Töne wahr und freut sich daran, sogar die Vögel wieder zwitschern zu hören. Mit dem Abfragen der Vorgeschichte einer Schwerhörigkeit, der Anamnese, beginnt Sabine die Untersuchung. Mit dem Otoskop, einer Art Lupe mit Taschenlampe, schaut sie zunächst in den Gehörgang, um eventuelle Schädigungen auszuschließen.

Defizite ausgleichen

Hörtest

Danach folgt die Audiometrie, der Test des Gehörs. Dabei spielt die 19-Jährige dem Patienten Töne in verschiedenen Frequenzbereichen vor. Am Bildschirm des Computers sieht Sabine unterhalb der Normkurve die Abweichungen des Kunden. Carlo Schwesinger kann vor allem die hohen Töne nicht mehr richtig wahrnehmen. Das ist typisch für die weit verbreitete Altersschwerhörigkeit. Die ermittelten Daten geben Sabine genauen Aufschluss über die Defizite, die ein Hörgerät dann ausgleichen kann. So könnte man den Beruf des Hörgeräteakustikers sogar fast als Heilberuf bezeichnen, besonders wenn es neben der Versorgung der Altersschwerhörigkeit auch um die Hilfe für hörgeschädigte Kinder oder Jugendliche geht. Bei jeder Begegnung mit einem schwerhörigen Kunden gehört jedenfalls eine ganze Portion Einfühlungsvermögen dazu, denn es gibt viele Schwerhörige, denen diese Schwäche anfangs ein wenig peinlich ist.

"Ich versuche einfach, den Menschen so gut wie möglich zuzuhören und zu verstehen, was ihnen wichtig ist. Die Kunden merken dann eigentlich recht schnell, dass man sich einfach mit ihnen befasst, und dass man wissen möchte, was ihre Probleme sind, und dann öffnen sie sich eigentlich auch."

Sabine Weber (3. Lehrjahr)

Katja Feist, Auszubildende im ersten Lehrjahr, empfängt die 25-jährige Sabine Bloß, die seit ihrer Jugend schwerhörig ist. Längst hat sie sich daran gewöhnt, hinter den Ohren Geräte zu tragen, die den Schall digital verstärken, verfeinern und über durchsichtige Schläuche in ihr Ohr leiten. Damit auch wirklich nur der elektronisch verstärkte Schall zum Trommelfell gelangt, münden die Schläuche noch in ebenfalls in fast unsichtbare Ohrpassstücke mit einem dünnen Durchlass zum Gehörgang. Ein solches Ohrstück, das den Gehörgang für alle störenden Nebengeräusche verschließt, nennt man Otoplastik. Jede dieser Otoplastiken fertigt der Hörgeräteakustiker individuell an.

Kundendienst am High-Tech-Gerät

Katja nimmt die Hörhilfen der Kundin mit in die Werkstatt, weil sie gereinigt werden müssen. Der Batteriewechsel ist in einer Minute erledigt. Das Reinigen dauert etwas länger. Mit Spezialwerkzeug und Minibürsten öffnet und putzt Katja die High-Tech-Geräte, die schon mal 2.000 bis 3.000 Euro kosten können. Schläuche und Otoplastiken gibt sie in ein Ultraschallbad. Weil die Kundin noch über eine Druckstelle klagte, fräst Katja die Otoplastik noch um Bruchteile von Millimetern ab. Dann setzt sie alles wieder zusammen. Nicht einmal zehn Minuten sind vergangen, und Sabine Bloß hat ihre Hörhilfen wieder.

Minicomputer am Ohr

Moderne Hörgeräte

Kunden beraten, ihr Gehör testen und schließlich die Hörgeräte anpassen - das sind die Ausbildungsschwerpunkte dieses Berufes, erläutet Meister Siamak Esfahani. Moderne Hörgeräte sind Minicomputer, die auf den jeweiligen Träger und seine speziellen Ansprüche programmiert werden können. Da braucht man technisches Verständnis. Man muss etwas von Anatomie verstehen, von Psychologie und Kommunikation. Dieses Fachwissen wird in der Bundesoffenen Landesberufsschule für Hörgeräteakustiker in Lübeck vermittelt. In Blockseminaren, die zwischen drei und fünf Wochen dauern, werden hier angehende Hörgeräteakustiker aus dem gesamten Bundesgebiet ausgebildet. Während dieser Zeit wohnen sie im anliegenden Internat. Eine Ausbildung, die zu einem Beruf mit Zukunft führt.

Die wichtigsten Fakten zur Ausbildung

  • Offizielle Berufsbezeichnung: Hörgeräteakustiker/-in
  • Ausbildungsdauer: 3 Jahre
  • Ausbildungsform: Duale Ausbildung in Fachbetrieb und Berufsschule (Lübeck).
  • Prüfung: Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer
  • Zugang: Keine formale Zugangsvoraussetzung, das Handwerk stellt aber vorwiegend Hörgeräteakustiker mit mindestens dem Realschulabschluss ein.
  • Eignung: handwerkliches Geschick, technisches Verständnis, Einfühlungsvermögen in Menschen
  • Ausbildungsorte: Einzelne Handwerksbetriebe und große Ketten und Berufsschule plus überbetriebliche Ausbildung an der Akademie für Hörgeräteakustik in Lübeck
  • Weiterbildung: Nach der Ausbildung, die mit dem Gesellenbrief endet, gibt es weitere Möglichkeiten sich zu qualifizieren, z. B. mit einem Fachhochschulstudium Hörakustik oder mit einem Meisterstudium. Auch der Techniker in Elektro- oder Medizintechnik ist denkbar. Zusatzausbildungen sind möglich zum Audiotherapeuten, Implant-Spezialisten, Tinnitustherapeuten oder Pädakustiker. Auch gibt es die Möglichkeit eines Fachhochschulstudiums mit dem Abschluss Bachelor of Science Hörakustik.

Genaue Informationen finden Sie auf den Webseiten der Arbeitsagentur:

Die wichtigsten Infos zum Beruf

Geschicklichkeit

Hörgeräteakustiker müssen mit sehr kleinen, hochempfindlichen Teilen umgehen. Die Arbeit in der Werkstatt und letztlich das Anpassen direkt am Ohr des Kunden verlangt feinmotorische Fähigkeiten. Handwerkliches Geschick gehört immer dazu.

Genauigkeit

Beim Arbeiten am Hörgerät und den Otoplastiken, beim Test und beim Einstellen und Programmieren der digitalen Technik gilt es, besonders präzise zu sein. Leichte Abweichungen z. B. beim Einstellen der Empfindlichkeit des Hörgerätes werden vom Träger der Hörhilfen sofort als Verschlechterung beim Hören wahrgenommen.

Technisches Verständnis

Bei der Ermittlung des Hörschadens und  der Messung der Hörleistung wie schließlich bei der Herstellung der Otoplastiken oder der Wartung der Geräte bedient sich der Hörgeräteakustiker verschiedene technischer Hilfsmittel.

Einfühlungsvermögen

Die Beratung und die Betreuung von Menschen mit körperlichen Einschränkungen wie der Schwerhörigkeit bedarf besonderer Zuwendung. Zuhören und Eingehen auf den Kunden ist besonders wichtig, um ihm optimal helfen zu können. Besonders ältere Menschen - und viele Schwerhörige sind Senioren - brauchen z. B. erst einmal ein "Anlaufzeit", um ihre Schwächen und Bedürfnisse mitteilen zu können. Auskünfte dazu geben Kammer, Innung, Arbeitsagentur, Berufsverband, Arbeitgeberverband und Gewerkschaft.


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