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alpha-doku Mein Darm, die Mikroben und ich

Unsere Darmflora besteht aus ca. 100 Billionen Mikroorganismen. | Bild: BR/SWR/iStock

Dienstag, 02.01.2024
17:00 bis 17:45 Uhr

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2023

Sie sind unsichtbar und sie sind viele. Sehr viele. 30 bis 100 Billionen um genau zu sein. Das ist jedenfalls die Durchschnittszahl der Mikroben in unserem Darm. Sie sind für die Zerlegung unserer Nahrung und die Versorgung mit Nährstoffen verantwortlich.

Jeder Mensch hat ein individuelles Mikrobiom - genauso einmalig wie ein Fingerabdruck. Das Mikrobiom bekommt ein Baby schon bei der Geburt durch die Mutter mit. Auch später beim Stillen und Kuscheln mit den Eltern vermehrt sich das Mikrobiom eines Kindes. Es macht rund ein bis zwei Kilo des Körpergewichts aus, wobei sich 99 Prozent aller Mikroben im Darm befinden.

Mikroben sind der Schlüssel zum Verständnis von Krankheiten Mediziner und Medizinerinnen gehen davon aus, dass das Mikrobiom Erkrankungen wie Allergien, Asthma, Diabetes mellitus und Fettleibigkeit sowie Depressionen und Autismus beeinflusst. Forschende auf der ganzen Welt versuchen deshalb, dem Mikrobiom seine Geheimnisse zu entlocken.

Mit Hilfe einer aufwendigen Untersuchung im Labor, der so genannten DNA-Sequenzierung, kann man sein Mikrobiom zumindest zum Teil entschlüsseln lassen. Doch im Moment sind diese Untersuchungen noch nicht so aussagekräftig, wie viele Internetanbieter von Selbsttests behaupten. Prof. Nisar Malek von der Universität Tübingen sagt, die Forschung sei noch nicht so weit, als dass sie detaillierte personalisierte Analysen liefern könnte.

Undercover: Mikroben schleusen heimlich Informationen ins Gehirn Forschende der Uni Erlangen haben einen spannenden Mechanismus entdeckt. Bislang ging man davon aus, dass der Darm vor allem über den Vagusnerv mit dem Gehirn kommuniziert. Dieser verbindet das sogenannte enterische Nervensystem in der Darmwand mit den Hirnnerven. Hierbei spielen auch die Mikroben eine zentrale Rolle.

Denn sie regen die Produktion von Botenstoffen an, die über den Vagusnerv als Signal an das Gehirn gesendet werden. Dieser Austausch wird auch als Darm-Hirn-Achse bezeichnet. Doch die Mikroben haben anscheinend noch einen anderen Weg gefunden, um Informationen ins Gehirn zu schleusen.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen um Prof. Claudia Günther entdeckten, dass die Mikroben sogenannte Transportvesikel entwickelt haben. Eine Art Transportblase, die sie mit ihren Informationen füttern und die - geschützt durch die Hülle - über das Blut quasi unerkannt in andere Organe des Körpers gelangen kann. "Das haben die Bakterien sehr clever gemacht", sagt Günther. Sie würden im Darm bleiben, "da wo sie sich wohlfühlen und senden alle Informationen an das Gehirn, ohne dass sie das Sofa verlassen müssen."

Emulgatoren und Zusatzstoffe in der Nahrung schädigen unser Mikrobiom. Dazu ist es auch wichtig, die Darmschleimhaut zu schützen. Unser Darm ist vom Rest des Körpers abgeschottet durch die Darmwand. Die wiederum ist ausgekleidet mit dem Mukus, der Darmschleimhaut. In unserem Magen-Darm-Trakt leben Mikroben, die die Schleimbildung anregen, und solche, die Schleim abbauen oder durch einen erhöhten pH-Wert verflüssigen. Dazu kommen schädliche Erreger wie z. B. Durchfallkeime. Auch Stress und Medikamente wie Antibiotika oder Aspirin beschädigen die Darmschleimhaut.

Doch immer mehr rücken Emulgatoren und Zusatzstoffe in unserer Nahrung in den Fokus. Emulgatoren sind Zusatzstoffe in Lebensmitteln, die beispielsweise Joghurt cremig und Supermarktbrot länger haltbar machen, Fertigkuchen lange feucht halten. In Mausversuchen konnte nachgewiesen werden, dass Emulgatoren aus menschlicher Nahrung die Darmschleimhaut der Mäuse deutlich schädigten. Die Schutzbarriere wurde durchlässig für schädliche Keime.

Dr. Benoit Chassaing vom Institut Cochin der Universität Paris erforscht seit Jahren die schädliche Wirkung von Emulgatoren.

Gesundes Essen für die Mikroben und uns

Ernährungsmedizinerin Dr. Viola Andresen ist bekannt aus der Sendung Die Ernährungsdocs. Für eine Mikrobiom freundliche Ernährung empfiehlt sie möglichst viele Ballaststoffe. Die sind besonders häufig in Gemüse enthalten.

Andresen rät: "Als Faustregel sollte man sich pro Woche den Verzehr von 25 verschiedenen Gemüse- und Obstsorten vornehmen, wobei der Fokus auf dem Gemüse liegen sollte".

Drei Tipps für eine Ernährung, die hilfreiche Mikroben unterstützt: Kartoffeln und Reis sollte man nach dem Kochen 24 Stunden abkühlen lassen, damit sich resistente Stärke bilden kann – ebenfalls ein Ballaststoff. Grüne Bananen enthalten deutlich mehr resistente Stärke als gelbe.
Fermentierte Lebensmittel wie Kefir, Naturjoghurt, aber auch das klassische Sauerkraut und Kimchi nach koreanischer Art sind sehr wichtig fürs Mikrobiom. Und die Don'ts: Alkohol, Rauchen, Zucker, Weißmehl und zu viel rotes Fleisch.

Redaktion: Gábor Toldy