BR Fernsehen - Sonntags-Stammtisch


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Publizist und Philosoph Michel Friedman

„Die AfD ist eine demokratiefeindliche und menschenhassende Partei“, sagt Michel Friedman. Er glaubt, dass die Menschen bei den Großdemonstrationen verstanden haben, dass man gegen rechte Gewalt aufstehen muss.

Stand: 25.01.2024

portrait | Bild: picture-alliance/dpa

Denn im Schweigen und Wegschauen sieht Michel Friedman eine besondere Gefahr für die Demokratie. Das galt für ihn besonders nach dem Angriff der Hamas auf Israel im vergangenen Oktober.

"Wenn ich überlege, wie viel Empathie man in Deutschland hatte für die Frauen in Iran, die so mutig für ihre Emanzipation kämpften oder für die Ukraine, die völkerrechtswidrig angegriffen wurde. Für jeden ist - zurecht - Empathie dagewesen. Für jeden ist diese spontane Reaktion dagewesen: Wir gehen auf die Straße, wir hängen Flaggen auf. Aber wenn es um Juden geht, war es relativ still in diesem Land und das ist beunruhigend."

(rbb24, 27.11.23)

Er weiß, wovon er spricht. Der ehemalige Vizepräsident des Zentralrats der Juden hat viele Familienmitglieder im Holocaust verloren. Seine Großmutter und seine Eltern gehörten zu denen, die von dem Industriellen Oskar Schindler gerettet wurden. Es dürfe nie wieder Realität sein, sich für seine Religionszugehörigkeit verstecken zu müssen.

"Jüdisch zu sein, ist ein Teil meiner Identität, aber nur ein Teil. Es darf sich niemand anmaßen, in einem freien Land zu sagen: Versteck einen Teil deiner Identität."

(Der Tagesspiegel, 10.11.23)

Mit gesellschaftlichem Engagement gegen Ausgrenzung

Der in Paris geborene Michel Friedman zog Mitte der sechziger Jahre mit seinen Eltern nach Frankfurt am Main. Ausgerechnet nach Deutschland, in das Land der Täter, die einen Großteil seiner Familie ausgelöscht hatten. Eigentlich wollte Michel Friedman nur Kind sein, doch Anfang der sechziger Jahre erlebte er auch Judenhass, Rassismus und Ausgrenzung. Doch er fand schnell ein Rezept dagegen: Er begann, sich gesellschaftlich zu engagieren, sei es als Schülersprecher oder als Vorstandsmitglied im „Bundesverband Jüdischer Studenten“.

Meister der Provokation

Nach dem Studium der Rechtswissenschaften mit anschließender Promotion schlug er den Weg in die Politik ein. Sie begann mit dem Eintritt in die CDU. Von 1994 bis 1996 gehörte er dem CDU-Bundesvorstand an. Seine Eloquenz führte ihn schließlich zu einer weiteren Karriere als Talkmaster. In Sendungen wie „Vorsicht! Friedman“ oder „Studio Friedman“ diskutierte er erfolgreich mit aktuellen politischen Gästen.

Bestsellerautor

In seinem Buch „Schlaraffenland abgebrannt - von der Angst vor einer neuen Zeit“, das in letztem Jahr erschienen ist, plädiert der 67-Jährige für ein besonnenes und mutiges Handeln. Sein jüngstes Werk „Judenhass“ gewinnt angesichts des Terroranschlags der Hamas traurige Aktualität.

"Ich bin nicht bereit, mich von Menschen, die hassen, beeinflussen zu lassen. Ich bin nicht bereit, ihnen dieses Machtgefühl zu schenken. Ich bin nicht bereit, einen Teil meiner Identität aufgrund von Drohungen zu löschen. (…) Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass der Hass das letzte Wort hat."

(Piper-Verlag, Oktober 2023)


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