BR Fernsehen - mehr/wert


25

Sex sells? Wie Werbung mit nackter Haut umgeht

Brüste, Sixpack, nackte Haut in der Werbung – das geht vielen zu weit. Aber ist es deswegen nötig sexistische Werbung zu verbieten? Einige Kampagnen setzten schon jetzt auf ein anderes Frauen- und Männerbild.

Von: Vanessa Lünenschloß

Stand: 20.07.2016

Werbeaufnahmen | Bild: BR

Der alte Spruch "Sex sells" ist – zumindest in vielen Köpfen – fest mit der Werbewirtschaft verknüpft. Attraktive Frauen und Männer schmücken Kampagnen für Mode, Parfum, Kosmetik. Immer wieder tauchen sie auch in Werbung auf, die nichts mit Produkten zu tun hat, die man am Körper trägt. Da geht es dann um Bier, Elektronikmärkte oder Handwerker-Leistungen, oft in Verbindung mit einem frechen Spruch. Vielleicht nicht immer geschmackvoll – aber muss das gleich per Gesetz geregelt werden?

Kernige Sprüche fürs Land

Thomas Brunner aus Massing, Niederbayern, hat eine Plakatkampagne für seine Firma selber entworfen: Das eine Motiv zeigt eine Frau in Dessous neben einem Pellet-Heizkessel, das andere einen Mann mit Sixpack neben einem neuen Bad. Als Unternehmer auf dem Land ist Werbung für ihn besonders wichtig.

"Die muss kernig sein und die muss auffallen. So. Genauso wie die Niederbayern und die Bayern allgemein recht kernig sind, muss auch die Werbung ins Auge fallen, die muss ein Eyecatcher sein, dann wird man wenigstens ein bisschen dazu animiert nachzudenken."

Thomas Brunner, Brunner Haustechnik

Thomas Brunner und seine Frau haben bewusst ein weibliches und ein männliches Motiv für ihre Plakate gewählt. Sexistisch finden sie die  Kampagne nicht – der Deutsche Werberat war da anderer Meinung. Jedes Jahr erhält das Organ, in dem unter anderem auch Werbeagenturen sitzen, einige hundert Beschwerden über Werbung, die verdächtigt wird, gewaltverherrlichend, rassistisch oder sexistisch zu sein. Knapp ein Dutzend Unternehmen hat der Werberat ermahnt. Wer dann an seiner Werbung festhält, wird öffentlich gerügt. So erging es auch den Brunners.

Suche nach Kriterien

Es liegt oft im Auge des Betrachters, ob ein Motiv als sexistisch wahrgenommen wird, oder nicht. Das stellt mehr/wert auch bei einer Umfrage auf der Straße fest: Die einen finden ein Foto ästhetisch, die anderen sehen eine Diskriminierung – vor allem von Frauen. Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD, plant ein Verbot für "herabwürdigende Werbung" – doch wie soll die definiert werden?

Die Gleichstellungsstelle für Frauen in München hat schon mal einige Kriterien erarbeitet. Frauenfeindlich ist Werbung demnach, wenn zum Beispiel Bilder und Texte Frauen beleidigen, wenn sie mit Waren gleichgesetzt oder auf bestimmte Rollen reduziert werden. Wichtig wären für die Gleichstellungsstelle indes vor allem Impulse aus der Branche selbst.

"Ich würde mir erhoffen, dass sich bereits die Werbeindustrie von vorne herein Gedanken darüber macht und wir diese Werbungen, die jetzt Anstoß erregen, nicht mehr haben in der Öffentlichkeit."

Nicole Lassal, Gleichstellungsstelle für Frauen, München

Und tatsächlich tut sich in der Branche einiges, sagen Experten.

Neues starkes Frauenbild

Auf den jüngsten Werbefilmfestivals waren etwa Spots von den Kosmetikartikelmarken Dove und Always zu sehen, die auf normale Frauen, statt Models setzen, oder starke Mädchen ins Zentrum rücken. Eine Entwicklung, die schon seit einigen Jahren zu beobachten ist.

"Wir sehen immer mehr, dass die reine Produktwerbung in den Hintergrund rückt, dass es immer mehr sogenannte social campaigns gibt, wo indirekt, sage ich mal, Gefühle angesprochen werden oder Selbstwertgefühle angesprochen werden. Und das ist etwas, das nachhaltig hängen bleibt."

Hansjörg Zimmermann, Hochschule Macromedia

Nacktheit verwirrt nur

Auch erfolgreiche Werbeagenturen setzen schon lange nicht mehr auf den unmotivierten Einsatz nackter Körper. Die Münchner Agentur For Sale Services entwickelt Kampagnen unter anderem für den Playboy. Zuletzt haben sie dafür prominente Leser fotografiert, wie Musiker Peter Maffay und Schauspieler Armin Rohde. Nackte Playmates spielten aus gutem Grund keine Rolle.

"Eine sexuell explizite Abbildung verwirrt Männer, das heißt, die erinnern sich an das Bild, aber sie erinnern sich nicht an das Produkt, das es zu bewerben galt. Und bei Frauen ist es so, dass die eher den Blick darauf vermeiden."

Christian Rechmann, Geschäftsführer For Sale Services

Für viele Werber schadet Sexismus in Kampagnen heute deutlich mehr, als er nutzt. Wird er trotzdem eingesetzt, gibt es die Quittung dafür ohnehin oft blitzschnell auf einem anderem Weg, als dem juristischen: Der Protest formt sich als sogenannter "Shitstorm" im Internet. Und das will keine Agentur für ihre Kunden.


25