BR Fernsehen - Lebenslinien


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Lebenslinien - Das lange Leben der Augsburgerin Anna Lang Wie ich 107 wurde

Anna aus Augsburg ist mit ihren 107 Jahren rüstig, geistig völlig präsent und hat einen erfrischenden, hintergründigen Humor. Ihre Geschichte erzählt von einem Frauenleben, das sich über ein ganzes Jahrhundert erstreckt.

Stand: 07.09.2022 | Archiv

Die Augsburgerin Anna (Jahrgang 1911) bewältigt ihren Alltag ohne Hilfe: Kochen, waschen, putzen, auch die Haare dreht sie sich selber zu kleinen Zöpfchen. Ihre Mutter, eine einfache Magd, heiratet nicht Annis leiblichen Vater, sondern einen anderen Mann.

Filminfo

Originalitel: Wie ich 107 wurde (D, 2018)
Regie: Susanne Brantl
Redaktion: Christian Baudissin
Länge: 45 Minuten
VT-UT, 16:9, stereo

Der überzieht das kleine Mädchen oft mit Schimpfworten und Willkür. So lernt Anni früh, dass Gehorsam für sie überlebenswichtig ist.

Mit 13 Jahren fängt sie in einer Augsburger Weberei zu arbeiten an – ihren Lohn muss sie zu Hause abliefern. Trotzdem gibt sie die Suche nach Glück nicht auf.

Nach dem Tod des Stiefvaters glimmt kurzzeitig Hoffnung auf: Ein Musiker, der zuvor Magda Schneider für den Film entdeckt hat, sieht auch in Anna das Zeug zur Schauspielerin.

Aber eine von der Mutter arrangierte Ehe zerstört ihren Traum: Denn ihr Mann ist weder zu Anna noch zu der 1940 geborenen Tochter liebevoll und aufmerksam. Im Gegenteil.

Erst als sie mit 81 Jahren Witwe wird, kann sie ihr Leben genießen. Mit ihrer Tochter Karin und deren Mann geht sie auf Reisen und hört vor allem nie auf, sich für neue Dinge zu interessieren.

So gehören ein Smartphone und der Besuch der vielen Volksfeste auf dem Augsburger Plärrer wie selbstverständlich zu ihrem Leben dazu.

Anna Lang ist am 27. September 2019 zu Hause im Alter von 108 gestorben.

Regiestatement von Autorin Susanne Brantl

Wie sind Sie auf die Geschichte von Anna L. gestoßen?
Tausend Dank an meine wunderbaren Kollegen, die Unger Buam!!! Ich erzählte von meinem Faible für die 20er- und 30er-Jahre – und Ebo und Jürgen sagten: "Da muasst amal unser Tante Anni kennenlernen. Die isch Jahrgang 1911.“ Bitte????? Diese Dame wollte und musste ich unbedingt kennenlernen. Wenn ein feiner Film daraus wird, wunderbar! Wenn nicht, sicher eine aufregende Begegnung. Nun, es wurde beides. 

Was hat Sie bei der Arbeit mit Anni besonders berührt?
Sehr angerührt bin ich von Annis großem Herzen und ihrem Mut, sich für alles zu interessieren. Die Worte „dafür bin ich doch schon zu alt“ kommen ihr nicht in den Sinn. Als ich sie fragte, wie sie ihren Tag beginnt, sagte sie: "Als Erstes freu ich mich amal, dass ich überhaupt aufgewacht bin!“ Das mache ich jetzt auch.

Anna Lang ist am 27. September 2019 verstorben. Wie war ihr Abschied?
Im letzten Jahr ließen Annis Kräfte einfach nach, aber sie war bis zu ihrem Einschlafen in ihrer Wohnung bei klarem Verstand. Mathias Richling hatte uns ins Theater eingeladen, am 12. September. Da mobilisierte sie noch ein letztes Mal all ihre Kräfte. Mathias hielt am Schluss eine entzückende Rede und überreichte ihr einen wunderschönen Rosenstrauß. Sie strahlte und winkte aus ihrem Rollstuhl. Das gesamte Theater Göggingen stand auf und applaudierte, dann defilierten die Zuschauer an Anni vorbei. So hat sie sich verabschieden können.


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