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Zypern Der Rost von 42 Jahren

42 Sommer und 42 Winter haben diese Autos, Busse und Motorräder hier erlebt - bewegungslos… 1974 retteten sie so manchem ihrer türkisch-zyprischen Besitzer das Leben.

Von: Michael Schramm

Stand: 24.04.2016 | Archiv

Autowracks | Bild: BR

Diese flohen vor griechischen Nationalisten, die einen Anschluss der Insel an Griechenland betreiben wollten, was zum Einmarsch türkischer Truppen im Norden und zur Teilung Zyperns geführt hatte. Wir sind in der britischen Militärbasis Epikopi bei Limassol. Die Geflohenen wurden damals in den Norden Zyperns ausgeflogen. Ihre Autos aber bleiben hier und bilden ein Freilichtmuseum der besonderen Art.

Connie Pierce

Nun will die britische Armee diese geschichtsträchtige Sammlung loswerden. Die Eigentümer oder deren Erben sollen die historischen Vehikel abholen. Offizier Connie Pierce ist für diesen beispiellosen Deal zuständig:

"Diese Fahrzeuge wurden von ihren türkisch-zyprischen Besitzern zurückgelassen. Und das Militär musste dann etwas damit machen. Man hat sie hier gesammelt. Deshalb stehen sie noch immer hier, nach mehr als 40 Jahren!"

Connie Pierce, Pressesprecher British Bases

Ortswechsel: Nordzypern. Vor drei Monaten hatte die britische Armee hier Anzeigen in Zeitungen geschaltet mit Aufrufen an die türkisch-zyprischen Besitzer, ihr Eigentum nachzuholen. Bei vielen der Älteren hier sorgte das für Aufsehen. Erinnerungen wurden wach – so auch bei Mustafa Sinasi Özdes. Sein Auto, ein gerade einmal sechs Monate alter Ford Escort, war sein ganzer Stolz.

"Ich will mein Auto auf jeden Fall wieder haben, egal in welchem Zustand es ist. Es geht mir dabei nicht ums Geld. Vielleicht ist es verrostet, ich werde den Wagen sicher nicht mehr fahren können. Aber ich habe für dieses Auto hart arbeiten und lange sparen müssen. Mein Herz hängt daran!"

Sinasi Özdes

Die alten Autos, sie reißen hier auch alte Wunden auf. Eine Stiftung in Nordzypern hat sich das Erinnern an die ehemalige Heimat zur Aufgabe gemacht. Diese Menschen hier, sie stammen zum Beispiel aus Limassol – heute im griechischen Teil Zyperns gelegen. Tarik Kuman ist Mitglied der Stiftung. Er sammelt buchstäblich Geschichte, unzählige Fotos nennt er sein Eigen. Auf ihnen erwacht das Zypern des Jahres 1974 zu neuem Leben. Während der Norden von der türkischen Armee besetzt war, mussten im südlichen, griechischen Teil etwa 10.000 türkische Zyprer rund sechs Monate auf dem britischen Militärstützpunkt Epikopi zumeist in Zelten leben. Damit das nicht in Vergessenheit gerät, hält Tarik Kuman eine Rückkehr der Oldtimer für wichtig:

"Wer mit seinem Auto in diesem Camp ankam, dachte, nicht nur er, sondern auch sein Auto, das meist voll mit Habseligkeiten war, sei gerettet. Doch dann musste man alles zurücklassen. Mit Flugzeugen nämlich brachte man uns in den Norden. Wir mussten fast alles aufgeben!"

Tarik Kuman

Tarik Kuman

Das Geschehen des Jahres 1974 - auch im südlichen Teil Zyperns ist es noch im Gedächtnis. In Limassol, nahe dem britischen Militärstützpunkt und den Oldtimern, ist aus dem ehemaligen Türkenviertel ein Touristengebiet geworden. Rein äußerlich weist nichts mehr auf die Vergangenheit hin. Für George Antoniadis aber ist sie noch immer sehr präsent:

"Vor 1974 war das Zusammenleben von Türken und Griechen hier in Limassol wirklich entspannt, man kannte und mochte sich. Nach der türkischen Invasion aber änderte sich das schlagartig. Die Türken, die hatten nicht fliehen können, wurden in Schulen und Stadien gesperrt. Wer seinen türkischen Freunden helfen wollte, brachte nicht nur sich selbst sondern auch seine Familie in Gefahr!"

Georg Antoniadis

Unterdessen bereitet Officer Connie Pierce die Herausgabe der historischen Vehikel weiter vor. Er sieht darin auch ein Symbol für den fortschreitenden Friedensprozess auf der Insel. Der türkische Norden und der griechische Süden, sie wollen wieder gemeinsame Wege gehen.

"Wenn man sich hier sich umsieht, stößt man auf viele interessante Dinge - kleine Stücke der Geschichte! In den Bussen finden sich Kinderspielzeuge, in Autos Bestecke, Gläser und Möbel. Hier kann man die Geschichte erspüren, die in diesen Fahrzeugen steckt…"

Connie Pierce, Pressesprecher British Bases

Zypern in diesen Tagen: Ein dunkles Kapitel der Geschichte der geteilten Insel kommt zu seinem Abschluss. Nach 42 Jahren stehen die Zeichen für ganz Zypern auf Hoffnung. Und vielleicht wird der eine oder andere von Sonne und Wind gezeichnete meist englische Oldtimer der Marken Austin oder Morris noch einmal zu neuem Leben erwachen…


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