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Tschechien RussischeTouristen meiden Karlsbad

Bei Fluggesellschaften geht es auf – und es geht ab – das ist weltweit ihr Geschäft. Doch viele Maschinen der tschechischen Airlines CSA bleiben in diesen Wochen am Boden – und das ist nicht gut fürs Geschäft.

Von: Danko Handrik

Stand: 05.10.2014 | Archiv

Ein Modellflugzeug | Bild: BR

Stanislav Fiala

Ein Drittel der Piloten muss entlassen werden. Das wäre der Anfang vom Ende der fünftältesten Fluggesellschaft der Welt, meinen die Piloten. Streiken wollen Sie nicht – es ist ja so schon mies genug.

"Wir sind der Ansicht, dass der derzeitige Personalstand die minimale Grundlage für die weitere Entwicklung der CSA sein muss. Trotzdem bereiten wir keinen Streik und auch keine Streikbereitschaft vor. Die CSA ist derzeit wirtschaftlich in keiner guten Form und das Ziel der Piloten ist es, die Gesellschaft zu retten, und nicht sie weiter zu schädigen."

Stanislav Fiala, Präsident ČSA-Pilotenvereinigung

Das Problem liegt drei Flugstunden entfernt, aber es ist doch so nah. Moskau und die Ukrainekrise. Von 900 Angestellten müssen 300 entlassen werden, CSA schrumpft sich kaputt. Noch vor einigen Jahren hatte die Fluglinie 3000 Mitarbeiter – und jetzt der wahrscheinliche Todesstoß. Das wichtigste Standbein für das Unternehmen war das Geschäft mit den ehemaligen Sowjetrepubliken.

"Die Ukraine-Russland-Krise, bedeutet für uns, so wie wir das bis jetzt überblicken, einen Ausfall von 20 Prozent der Fluggäste im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum, das sind in Zahlen ausgedrückt Umsatzeinbußen von hunderten Millionen Kronen."

Daniel Šabík, Pressesprecher ČSA

Und wenn in Prag weniger Flugzeuge landen, spürt das auch Katerina Plackova. Im Grunde ist sie ja auch Pilotin – sie steuert Fina und Lora. Hochsaison in Karlsbad: Eigentlich müsste sie so richtig viel Geld verdienen. Doch Sie hat Zeit uns ihre Kurstadt zu zeigen, denn die Stadt, so sagt die Kutscherin, sei fast wie ausgestorben.

"Nein, so leer habe ich Karlsbad noch nicht erlebt. Früher war es viel besser, jetzt ist es gerade sehr schlimm. Es sind fast keine Kunden mehr da. Die Russen kommen nicht mehr. Entweder sie bekommen keine Visa oder ich weiß auch nicht warum sie nicht kommen."

Katerina Plackova, Kutscherin

Dabei gilt der tschechische Kurort – als die westlichste Stadt Russlands. Die Liebe Russlands zur Karlsbad begann mit Zar Peter dem Großen. 1711 lies er sich hier kurieren. Nach 1989 investierten Russen Millionen in die verfallene Stadt, brachten sich zum glänzen. 100.000 Touristen kamen aus Russland jährlich zur Kur oder um Zähne aufzupolieren – oder anderen Körperteilen ganz neuen Glanz zu verleihen.

Doch mit der Ukraine-Krise ist der russische Glanz in Karlsbad verblasst, spürt man bei der Stadtverwaltung.

"Die Russen in der Tschechischen Republik hatten eigentlich nach 1968 ein schlechtes Image, durch den Einmarsch der Truppen beim Prager Frühling. Viele konnten die Russen nicht leiden. Das war bei uns nicht zu spüren. Aber mit der Ukraine-Krise kam die Angst bei den Russen, dass die Tschechen jetzt wieder Vorbehalte gegen sie bekommen könnten."

Jan Kopál, Stadt Karlsbad

Die Russen, die trotz der Krise gekommen sind, schwärmen von der Freundlichkeit der Tschechen. Aber, klar ist: Mit der Ukraine-Krise reisen die Russen nicht mehr ganz so gern nach Europa. Viele Wohnungen werden in Karlsbad schon zum Kauf angeboten. Viktor, aus Tomsk in Sibirien ist trotz Krise gekommen.

"Ich denke bei der internationalen Gemengelage rund um den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, haben viele einfach Angst, ins Ausland zu fahren – es müssen alle nach Lösungen suchen, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Aber die Ängste bleiben – das ist ein Punkt."

Viktor Poladin, Tourist

Und Kutscherin Katerina hat durch diese Ängste weniger Fahrgäste. Und die Luxusgeschäfte, an denen sie vorbeifährt, klagen über weniger zahlungskräftige Kunden. Auf dieser Flaniermeile wäre für ihre eigentlich kein durchkommen.

"Die Saison beginnt bei uns im Mai. Bis Oktober ist alles voll. Aber schon jetzt sieht es hier aus wie im Herbst."

Katerina

Leonid Kalinka

50 Prozent weniger Gäste, erklärt Igor, kamen in sein Hotel Sankt Petersburg. Und das wegen einer irrationalen Angst: Die Russen fürchteten, dass aufgrund der Sanktionen gegen Putin ihnen während des Urlaub in Europa ihre Kreditkarten gesperrt würden.

"Von hier aus betrachtet ist es doch kein Konflikt der Russen gegen die Ukrainer, sondern ein politischer Konflikt. Die Politiker sind schuld und das einfache Volk leidet. Wir normalen Leute, also Russen und Ukrainer, sind lange gut miteinander ausgekommen und werden das auch weiterhin tun. Der Konflikt wird von den Politikern künstlich geschürt."

Leonid Kalinka, Hotelier

2300 Kilometer liegen zwischen Karlsbad und der ukrainisch-russischen Grenze und trotzdem ist man dem Konflikt wirtschaftlich sehr nah. Und vielleicht, so scherzen einige Touristen, sollten sich die verantwortlichen Politiker mal hier in Karlsbad treffen. Das 60 Grad warme Mineralwasser das hier aus den Quellen sprudelt es beruhigt ungemein.

Wie der Konflikt gelöst werden soll, weiß Kutscherin Katerina nicht. Keine Ahnung von Weltpolitik, wie schon gesagt, nur vom Fahrgeschäft.

Aber Karlsbad war doch ein deutsches Kurbad. Wenn die Russen nicht kommen, entdecken vielleicht bald die deutschen Touristen den Kurort von neuem, hofft sie und ihre Kollegen. Es muss ja nicht der Rubel sein, der rollt – Hauptsache ihre Kutsche.

Karlsbad macht jetzt Werbung in Deutschland aber auch in den arabische Emiraten, um weiter im Geschäft zu bleiben.

Die Politiker in Prag sind alarmiert. Wie fast kein anderes europäisches Land drängt Tschechien darauf, die Sanktionen gegen Russland zu stoppen, damit in Karlsbad die Kutschen rollen und nach Prag wieder mehr Flugzeuge aus Moskau fliegen.


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