BR Fernsehen - EUROBLICK


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Griechenland Kreta und der Deutsch-Grieche

It‘s party time auf Kreta: junge Griechen und ausländische Touristen lassen es krachen. No risk – no fun: diesen jungen Europäern sind Grexit oder Bankrott ziemlich egal.

Von: Bernd Niebrügge

Stand: 05.07.2015 | Archiv

Partymeile am Kreta Beach | Bild: BR

Nikos Platakis

Und alle werden wieder kommen, auch ohne Euro, glauben die Hoteliers. Für sie zählt viel mehr, dass Tsipras die niedrigeren Steuersätze der Inseln retten will. Das hat er versprochen.

"Ich werde wohl mit 'Nein' beim Referendum stimmen, also gegen den Vorschlag der Eurogruppe. Ich glaube nicht, dass ein intelligenter Mensch, ein Grieche, bei solchen Maßnahmen mit 'Ja' stimmen wird."

Nikos Platakis, Manager Star Beach

Jorgos Chatzimarkakis

Im nahegelegenen Urlaubsort Agios Nikolaos, treffen wir den ehemaligen FDP-Europaabgeordneten Jorgos Chatzimarkakis. Seit dem Karriereknick in Deutschland versucht er im Heimatort seiner Eltern politisch Fuß zu fassen. Man kennt ihn hier also, den Deutsch-Griechen, und stellt ihn zur Rede.

"Herr Dijsselbloem hat am Ende alle eingeladen, nur uns Griechen nicht. Aus welchem Grund denn wohl?"

Ein Mann

"Nein, nein. Das ist doch ganz anders gewesen."

Jorgos Chatzimarkakis

"Glaub mir, du irrst dich gewaltig, Jorgos, wenn du denkst, dass das griechische Volk dies alles so einfach hinnehmen wird."

Ein Mann

Der geborene Duisburger Jorgos Chartzmarkakis, ist davon überzeugt, dass auch der einfache Grieche am Schicksal des Landes Mitverantwortung trägt.

"Diese Gesellschaft hat sich in ihrem Kokon der Introvertiertheit sehr gut eingerichtet. Und selbst die Krise, die fünf Jahre Wirtschafts- und Finanzkrise haben daran nicht viel geändert. Und jetzt durch diese Eskalation wie auch der Referendumsankündigung spüren die Leute, durch die langen Schlangen an den Geldautomaten und die Schlangen an den Tankstellen, dass da wirklich etwas passiert, was ihre Kinder und Enkel betreffen wird."

Jorgos Chatzmarkakis, Politiker

Der Tourismus bleibt für die Urlaubsinsel Kreta trotz der Aufs und Abs der sicherste Wirtschaftszweig. Oliven, Obst und Weinanbau bringen ebenfalls beträchtliche Einnahmen. Trotzdem fehlen Jobs, liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei über 20 Prozent. Und viele Millionen Euro, ob privat oder durch Brüssel investiert, enden ungenutzt als Bauruine, wie dieser unfertige Yachthafen.

Jorgos Chatzimarkakis mit uns auf dem Weg zu einem befreundeten Unternehmer. Die wirtschaftliche Dauermisere hat für den Deutsch-Griechen einheimische Hauptverantwortliche: einflussreiche Familien und Oligarchen.

"Die politischen Familien haben durch Insiderwissen die Rettungspolitik zum Teil für ihre eigenen Zwecke ausgenutzt und haben sich bereichert. Und die Oligarchen haben natürlich von niedrigeren Löhnen profitiert, haben die billiger gewordenen Filetstücke kaufen können. Denen geht es seitdem besser und es wundert eigentlich, dass die Troika das, was hinter der Hauptbühne der Politik passiert, überhaupt nicht gesehen hat."

Jorgos Chatzmarkakis, Politiker

Eines der Opfer dieser Klientelpolitik ist Unternehmer Dimitris Peppas. Sein Unternehmen Mechatron produzierte bis 2013 Führungssysteme für Photovoltaikanlagen. 216 Beschäftigte erwirtschafteten mit diesen tonnenschweren High Tech-Produkten jährlich 20 Millionen Euro Umsatz. Gefördert vom Staat beschäftigte die Branche landesweit schnell 50.000 Menschen – und das inmitten der Krise. Doch dann von heute auf morgen – das Aus.

"2013 hat das Ministerium die Genehmigung für neue Photovoltaikanlagen gestoppt. Das war das Ende für die gesamte Branche. Zudem wurden die für erneuerbar produzierte Energie vereinbarten Einspeisungstarife vom Staat halbiert, was auch die bereits bestehenden Photovoltaikanlagen ruinierte."

Unternehmer Dimitris Peppas

Doch warum kam es zu dieser plötzlichen Energiewende unter der alten Regierung? Durch die Solaranalgen reduzierte sich allein auf Kreta in wenigen Jahren der Anteil der durch Öl produzierten Energie um ein Drittel. Doch der mächtigste Oligarch der Insel beliefert mit seiner Öltankerflotte die staatlichen Kraftwerke. Erneuerbare Energien reduzieren seinen Absatz und Gewinn. Sein Einfluss stoppte und ruinierte letztlich die ganze Branche, sind sich Unternehmer und Chatzimakakis sicher.

"Dieses Schmieren, dieses Eingreifen in den Rechtsstaat, dieses Gesetze für einzelne Personen verändern – das müsste auch von der europäischen Kommission stärker kontrolliert und unterbinden werden. Und deshalb kann Griechenland auch nicht in Europa ankommen, wenn das so geduldet wird."

Jorgos Chatzmarkakis, Politiker

Zurück ins beschauliche Agios Nikolaos: Chatzimakakis hat mit Freunden schon 2014 zur Europawahl eine Partei gegründet. Doch ist es oft schwierig, Griechen für mehr Europa oder mehr Rechtsstaat zu gewinnen.

"Der Politiker ist eigentlich nur dafür gewählt, um dem Wähler bestimmte Vorteile zu verschaffen. Der sagt ihm das auch offen: 'Ich habe dich gewählt, damit du meinem Sohn einen Posten beim Militär verschaffst' oder 'damit du mir ein Bankgeschäft eröffnest.' Das ist eine ganz einfache wirklich klientelistische Angelegenheit."

Jorgos Chatzmarkakis, Politiker

Doch das Gemeinwohl bleibt so vergessen – nicht nur auf Kreta.


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