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Schweiz Lamas schützen Schafherden

Ruhig…, idyllisch…, geordnet… - das Schweizer Weisstannental bei Sankt Gallen. Aber immer öfter fürchten die Menschen jetzt, dass diese Ruhe gehörig durcheinander gebracht werden könnte.

Von: Angelika Vogel

Stand: 06.07.2014 | Archiv

Zwei Lamas an einem steilen Hang über dem Weisstannental | Bild: BR

Der Wolf ist zurückgekehrt, nachdem er lange ausgerottet war. Zwischen zehn und 20 Tiere leben wieder in der Schweiz. Sie sind scheu, und zu Gesicht bekommt sie kaum jemand.

Ignaz Schneider

Wenn Bauer Ignaz Schneider nach seinen Schafen auf der Alm schaut, dann hofft er, dass noch alle da sind. Bisher hatte er noch kein Problem mit dem Wolf, aber einer seiner Kollegen.

"Es hat einen Riss gegeben im Kanton Graubünden. Von offizieller Seite hieß es vor zwei Wochen, dass er in diesem Gebiet, auch speziell da oben ist. Das hat natürlich schon zu Unmut geführt und zu Spannung wie es weitergeht."

Ignaz Schneider, Almbauer und Schafbesitzer

Mit einem Elektrozaun hat er seine Schafweide bereits eingezäunt. Aber auch der bietet keinen hundertprozentigen Schutz vor dem Wolf.

Schafe auf abgelegenen Almen sind für Wölfe eine verlockend leichte Beute. Deshalb wurden die Almbauern von den Behörden aufgefordert, ihre Tiere besser zu schützen. Denn der Wolf steht unter Schutz und darf nicht geschossen werden.

"Zuerst war von Hunden die Rede. Wir können hier aber keine Hunde einsetzen, weil wir hier im Sommer sehr viele Touristen haben. Da ist ein Aussichtspunkt. Die Hunde verteidigen die Schafe, das ist ja gut. Aber sie attackieren nicht nur einen Wolf, sondern auch einen Hund von einer Familie. Und das Problem ist vorprogrammiert."

Ignaz Schneider, Almbauer und Schafbesitzer

Zudem brauchen Hunde auch Betreuung. Ignaz Schneider will seine Schafe auf der Alp jetzt mit sanften und pflegeleichten Tieren schützen.

Sie stammen aus dem Bergland der Anden Südamerikas. Es heißt, sie hätten keine Angst vor dem Wolf und würden ihn sogar vertreiben: Lamas!

Die fünfjährige Lamastute Tamara und ihr Sohn Timi bewachen jetzt die Herde mit 74 Schafen.

Hirte Fredie hat auch Schafe oben auf der Alp. Früher musste er oft lange rufen und suchen bis er ein Tier entdeckte.

"Määh, komm, Heli, Heli komm, Mäh!"

Hirte Fredie

Das ist jetzt anders: Die Lamas sind sofort alarmiert, wenn sich in ihrem Revier etwas tut und beobachten alles wachsam. Aber Lamas auf einer traditionellen Schweizer Alp, geht das überhaupt zusammen?

"Ich habe immer gesagt: Das ist etwas exotisches für unsere Gegend. Ein Schaf gehört hierher, eine Kuh - das ist auch für mich etwas das hierher gehört. Aber ein Lama das war für mich zu weit hergeholt. Ich habe auch mit dem Besitzer Clinch gehabt am Anfang, sehr stark. Ich habe gesagt: Das ist ein Blödsinn, das nützt nichts. Und dann habe ich eine Nacht drüber geschlafen und dann am anderen Tag gesagt: 'Dann bring sie doch, diese Kamele.'"

Fredie

Zu den Kamelen gehören Tamara und Timmi tatsächlich. Sie unterstützen die Schafe sogar dabei, die Almwiesen freizuhalten, denn sie fressen bevorzugt mageres Gras.

Im Gegensatz zu Herdenschutzhunden sind sie pflegeleicht. Einmal im Jahr müssen sie geschoren werden zum Schutz vor Hitze und Parasiten, und sie brauchen einen kühlen Unterstand.

Haben sie sich einmal in eine Schafherde integriert, dann würden sie diese sogar gegen einzelne Wölfe verteidigen. So heißt es zumindest.

Sven Baumgartner

Sven Baumgartner ist einer der Initiatoren des Lama-Schutzprojekts. Er erforscht seit Jahren, unter welchen Bedingungen die Lamas ihre Schutzfunktion am besten wahrnehmen. Aber wie soll ein sanftes Lama überhaupt einen hungrigen Wolf vertreiben können?

"Aus Amerika gibt es Studien, die belegen, dass die Lamas sehr gut schützen gegen Wolf, Coyote, Puma. Das hat man auch schon gelesen in mehreren Studien. Das Lama ist eigentlich, weil es neugierig ist, dass es auf etwas zugeht. Das ist das, was der Wolf auch nicht gerne hat, dass wenn eine Gefahr kommt, dass er dann bedroht wird wenn das Tier auf ihn kommt."

Sven Baumgartner, Leiter Herdenschutzstelle St. Gallen

Der Wolf jagt Tiere, die flüchten. Aber die Lamas verunsichern ihn, weil sie neugierig auf ihn zugehen. Bei Bedrohung greifen sie auch an und spucken mit ätzender Magensäure, wie hier bei diesem Hütehund.

Und wenn der Wolf mal siegt? Einen Lama-Wolfsriss soll es in der Schweiz noch nie gegeben haben.

Bauer Ignaz Schneider ist zufrieden. Tamara und Timi haben seine Schafe nach einer Eingewöhnungszeit von sieben Monaten im Stall mit den Schafen gut angenommen. Die beiden scheinen sich wohl zu fühlen.

Ignaz Schneider schätzt die Intelligenz und Wachsamkeit seiner Lamas. Sie hören auf ihren Namen, und kennen ihren Besitzer. Wenn er ihnen Salz bringt dann werden sie richtig zutraulich. Und sie haben bisher ihre Aufgabe als Wachlamas für seine Schafherde gut erfüllt.

"Bisher hatten wir keinen Riss und die Lamas haben die Schafe gut angenommen. Bis jetzt passt es. Jetzt hab ich wirklich Spaß dran. Es ist wie bei einem Kind, das ich richtig in Herz geschlossen habe, sie gehören dazu, ich gebe sie nimmer her."

Ignaz Schneider, Almbauer und Schafbesitzer

Wenn sich die Wölfe weiter ausbreiten, dann wird man vielleicht auch bald die Kleinkamele aus den Anden bei uns antreffen. Vorausgesetzt, sie machen ihre Arbeit weiter so gut wie hier auf der Alm.


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