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Schottland Die Schotten haben sich entschieden

Clans of Scotland: Ein Souvenirladen im Herzen der schottischen Hauptstadt Edinburgh. Den traditionellen Schottenrock trägt auch Steve Wright, der Besitzer.

Von: Jens Eberl

Stand: 21.09.2014 | Archiv

Das Parlament in Edinburgh im Nebel | Bild: BR

Auch die schottische Fahne ist Angebot, hinter der sich ein großer Teil der Nation im Norden der britischen Insel versammeln will. Steve Wright ist stolz auf die Traditionen und die Geschichte seiner Landsleute. Sein Traum: Schottland soll unabhängig werden.

"Als unabhängige Nation können wir politisch und ökonomisch auf unseren eigenen Füßen stehen. Wir wären die sechstreichste Nation auf der Welt."

Steve Wright, Ladenbesitzer

Für ein unabhängiges Schottland hat er wohl am meisten geackert: Alex Salmond, seit Jahren das Gesicht der Unabhängigkeitsbewegung. Leutselig ist er, der schottische Regierungschef, und zeigt sich gerne volksnah. Salmonds Vision: "Wir können in Schottland eine gerechtere Gesellschaft bauen, wenn wir alleine entscheiden dürfen. Wenn nicht mehr London, sondern Edinburgh selbst über die Öl-Milliarden verfügen darf."

"Es ist eine einmalige Chance, Schottlands Zukunft in unsere eigenen Hände zu nehmen."

Alex Salmond, Regierungschef Schottland

Schottland ganz alleine – das muss traurig werden, fürchten die Anhänger Großbritanniens. Der frühere britische Premierminister Gordon Brown warnt vor großen Risiken. Raus aus dem Vereinigten Königreich würde auch ein Raus aus der Europäischen Union bedeuten. In den letzten Umfragen vor Beginn der Abstimmung lagen die Gegner eines unabhängigen Staates knapp vorn. Sie machen sich große Sorgen:

"Auch wenn es knapp ist, es hat so große Auswirkungen. Für die Zukunft von Schottland hoffe ich echt auf ein Nein."

Straßenumfrage

"Ich denke, die Leute durchschauen die Lügen und falschen Versprechen der Yes-Kampagne und wählen mit Nein. Zumindest hoffe ich das."

Straßenumfrage

"Ich habe mit Nein gestimmt und vertraue der Yes-Seite nicht. Ich bin stolz darauf Britin zu sein. Ein sehr trauriger Tag."

Straßenumfrage

Für Ladenbesitzer Steve Wright ist es das Gegenteil, ein Freudentag, an dem er dafür stimmen kann, dass sein Land unabhängig wird.

"Ich hoffe und bete, dass wir es schaffen. Wir müssen jetzt Geduld haben. Hoffentlich sagen wir Ja."

Steve Wright

Das Referendum hat aus Schottland ein anderes Land gemacht. Noch nie in der Geschichte der Nation haben sich so viele an einer Wahl beteiligt. Die Abstimmung hat die Menschen elektrisiert.

Um 22 Uhr beginnt die Auszählung. Sie dauert die ganze Nacht. Alle 32 Wahlbezirke werden einzeln gezählt. Nach und nach kommen die Ergebnisse. Am frühen Morgen wird klar: Schottland bleibt im Vereinigten Königreich. Der Traum vom Ja zur Unabhängigkeit – nur ein Traum.

Es war auch sein Traum: Regierungschef Alex Salmond versteht an diesem Morgen, dass er sein Land nicht in die Unabhängigkeit geführt hat.

"Schottland hat mit Mehrheit entschieden, zu diesem Zeitpunkt nicht unabhängig zu werden. Ich akzeptiere das und rufe alle auf, diese demokratische Entscheidung des schottischen Volkes auch zu akzeptieren."

Alex Salmond, Vorsitzender SNP

Ein schöner Morgen dagegen für die Regierung in London. Der britische Premierminister David Cameron hatte Schottland weitreichende Autonomie versprochen, wenn es im Vereinigten Königreich bleibt. Die Verhandlungen dafür sollen jetzt im November beginnen. Cameron geht aber weiter: Das schottische Referendum wird ganz Großbritannien verändern.

"Mit den neuen und fairen Regeln für Schottland sollten auch neue und faire Regeln für die anderen Landesteile des Vereinigten Königreichs einhergehen."

David Cameron, Premierminister Großbritannien

Westminster steht jetzt viel Arbeit bevor. In acht Monaten wird in Großbritannien ein neues Parlament gewählt. Bis dahin soll einiges auf den Weg gebracht werden.

"Seit heute Morgen leben wir in einem komplett anderen Land. Nur wenige Minuten nach dem Ergebnis des Referendums hat Cameron die Verfassung in Frage gestellt. Wir gehen jetzt Richtung Föderalismus, vielleicht mit einem englischen Parlament, das englische Gesetze beschließt."

Kate Devlin, Westminster-Korrespondentin The Herald

In Edinburgh wachsen die ersten Zweifel, ob die von London versprochenen Rechte tatsächlich kommen werden, auch bei Alex Salmond, der mit Cameron telefoniert hat. Wenig später geht er vor die Presse und tritt von all seinen Ämtern zurück:

"Meine Zeit als Spitzenpolitiker ist vorbei. Die Bewegung für Schottland aber geht weiter und der Traum von der Unabhängigkeit wird niemals sterben."

Alex Salmond, Erster Minister Schottland

Schottland hat gewählt. Und dabei ein einmaliges Beispiel geliefert, wie eine Nation friedlich über ihre Unabhängigkeit abstimmt.

"Da kann man nichts machen. Wir müssen jetzt einfach weiterleben. Es war eine demokratische Wahl und wir haben verloren. Wir müssen weitermachen. Vielleicht kommt ja in 20, 30 Jahren eine neue Generation, die eine neue Chance hat. Aber für uns ist es vorbei. Wir müssen jetzt damit leben."

Steve Wright, Ladenbesitzer

Die Schotten haben Geschichte geschrieben – sie bleiben britisch.


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